Die Kapsel von Bivio hat eine elliptische Form und zeigt an ihren Schmalseiten die Tore des Himmlischen Jerusalem. Jeweils zwei niedrige Türme mit einem Kegeldach flankieren ein rundbogiges Tor. Die Quaderung der Stadtmauer ist gut zu erkennen. In ihrer gegenüberliegenden Position und auch in der Themenwahl der übrigen Szenen aus dem Alten und Neuen Testament ergeben sich Ähnlichkeiten mit frühchristlichen Sarkophagen, etwa dem Mailänder Stilicho-Sarkophag oder dem Sarkophag Remise de la Loi (Louvre). Vermutlich wollte man mit der Gegenüberstellung der beiden identischen Stadttore auf die beiden wichtigsten christlichen Städte, Jerusalem und Bethlehem, hinweisen, wie es auf römischen Mosaiken bald üblich war, etwa in S. Lorenzo oder in S. Maria Maggiore.
Auf der oberen und unteren Seite der Kapsel schließt ein Band an, das wie eine Kordel oder ein Seil gestaltet ist, welches zwei Mal um die Kapsel läuft. Dieses Band, wie auch die profilierten Szenen, wurden mit einer Goldauflage versehen, während der Untergrund aus Silber besteht. Die Kapsel ist lediglich 5,7 Zentimeter hoch und hat einen Durchmesser von 5,5 Zentimeter. Die Länge beträgt 12 Zentimeter. Einst wurde das Objekt zur Aufbewahrung von Reliquien verwendet, also Reste von Heiligen, die bereits im Neuen Jerusalem sind.
1888 wurde die Silberkapsel zufällig am Boden eines antiken Altars in Nähe der Burg von Brivio entdeckt, einem kleinen Ort bei Lecco in der Lombardei. Sie befand sich in einer Ummantelung aus Marmor aus dem 11. Jahrhundert. 1902 wurde sie in Paris an den Kunstsammler Adolph Gilbert verkauft und der Sammlung Brauer-Gilbert des Louvre inkorporiert.
Philippe Lauer: La ‚capsella’ de Brivio (Musée du Louvre), in: Monuments et Mémoires Publiés par l’Académie des Inscriptions et Belles-lettres, 13, 1906, S. 229-240.
Clara Bozzi: La capsella di Brivio e il suo contributo allo studio della primitiva chiesa plebana di Brivio, in: Contributi dell’Istituto di Archeologia, 1, Milano 1967, S. 159-169.
Milano capitale dell’Impero Romano 286-402 D.C., Milano 1990.
Galit Noga-Banai: The trophies of the martyrs. An art historical study of early Christian silver reliquaries, Oxford 2008.