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Gozbertus: Rauchfass (um 1100)

Im Trierer Domschatz wird das Gozbertus-Rauchfass aufbewahrt. In diesen Gegenstand wurden einst, als er noch in Gebrauch war, einige Weihrauchkörner auf glühendes Holz gegeben. Bei Prozessionen oder in Messen wurde das Fass dann von einem Ministranten an der Kette geschwenkt, um so den Wohlgeruch des Weihrauchs zu verbreiten. Um den Geruch nach allen Seiten nach außen zu lassen, ist das Gefäß an vielen Stellen geöffnet. Das Gozbertus-Rauchfass ist mit nur 21,5 Zentimeter Höhe und einem Durchmesser von 14 Zentimeter ein recht kleines Fass. Es ist um 1100 für die Reichsabtei St. Maximin in Trier angefertigt worden und zählt zu den Meisterwerken des Bronzegusses dieser Zeit. Hergestellt wurde es von Gozbertus nach den Regieanweisungen des Theophilus Presbyter im Wachs-Ausschmelz-Verfahren: Zunächst wird dabei ein Wachsmodell ausgearbeitet. Dieses wird dann mit Ton umkleidet und in ein Tonpaket eingepackt. Nach der Trocknung wird es erhitzt, das Wachs läuft aus, und in die hohle Form wird die Bronze gegossen und kühlt ab.

Die Stelle aus Apokalypse Kapitel 8, Vers 3-5 (Weihrauchopfer vor dem Thron Gottes) gab vermutlich die Anregung, das Kunstwerk als mikroarchitektonisches Himmlisches Jerusalem zu gestalten. Um den stabilen Fuß erheben sich vier Atlanten, darüber die eigentliche Architektur des Gegenstands. An jeder Seite des Fasses befindet sich ein Gebäude mit einem Dreiecksgiebel, an dem Moses, Aaron und die beiden Propheten Jesaja und Jeremia als Halbfiguren angebracht sind. Darüber erhebt sich das obere Geschoss eines Kirchengebäudes mit reichhaltigem Giebel- und Dachschmuck. In den vier Ecken des Gebäudes befinden sich runde Türme. Dazwischen liegen die vier Giebel der Kirche, auf denen Abel, Melchisedech, Abraham und Isaak zu sehen sind. Bekrönt wird das Rauchfass von Salomon mit Lilienkrone, Zepter und Reichsapfel auf seinem Thron, der von vierzehn kleinen Löwen umgeben ist. Christus erscheint am Kettenhalter, der mit Rundmedaillons der Apostel Petrus, Paulus, Jakobus und Johannes ausgestattet ist.
Ursprünglich war das Gozbertus-Rauchfass vergoldet. Aufgrund seiner Architekturallegorie, dem Figurenprogramm und den Inschriften wird der liturgische Gegenstand seit alters her als Verkörperung des Himmlischen Jerusalem angesehen. Alle Öffnungen des Gebäudes ergeben exakt die Zahl hundert, was auf Vollkommenheit und Perfektion verweist. Der thronende Salomon verweist als Präfiguration auf den thronenden Christus.

Nikolaus Irsch: Der Dom zu Trier, Düsseldorf 1931 (Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, 13, 1).
Marie-Thérèse Gousset: La représentation de la Jerusalem céleste a l’époque carolingienne, in: Cahiers Archéologiques, 23, 1974, S. 47-60.
Marie-Thérèse Gousset: Un aspect du symbolisme des encensoirs romans: La Jérusalem celeste, in: Cahiers Archéologiques, 30, 1982, S. 81-106.
Maria Luisa Gatti Perer (Hrsg.): La Gerusalemme celeste, Milano 1983, S. 183-184.
Hiltrud Westermann-Angerhausen: Zwei romanische Thuribula im Trierer Domschatz – und Überlegungen zu Theophilus und dem Gozbert-Rauchfaß, in: Zeitschrift des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft, N.F., 42, 2, 1988, S. 45-60.
Clemens M. Bayer: Zum Gozbertus-Rauchfaß in der Trierer Domschatzkammer, in: Franz J. Ronig (Hrsg.): Schatzkunst Trier. Forschungen und Ergebnisse, Trier 1991, S. 45-88.

 

tags: Rauchfass, Bronze, Salomon, Romanik, Trier, Rheinland-Pfalz
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