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Diebolt Laubers Werkstatt: „Barlaam und Josaphat“ (1469)

Diebolt (auch Diebold) Lauber (geb. vor 1427, gest. nach 1471) betrieb Mitte des 15. Jahrhunderts im elsässischen Hagenau eine Schreiberwerkstatt und einen florierenden Handschriftenhandel. Hier wurde billige Massenware von Schreib- und Zeichenknechten hergestellt; auf Qualität wurde weniger Wert gelegt, sondern Gebrauchsgrafik produziert. Aus der Produktionsstätte Lauber gingen mindestens 80 überwiegend bebilderte Handschriften und Blockbücher hervor, neben gelehrten Schriften auch deutschsprachige Chroniken und illustrierte Abschriften bedeutender Werke der mittelalterlichen Literatur. 1469 entstand in seiner Werkstatt eine fast vierhundertseitige Illustration von Rudolf von Ems‘ „Barlaam und Josaphat“. Dabei handelt es sich um eine deutsche Bearbeitung, die Rudolf von Ems im 13. Jahrhundert von einem älteren, in verschiedenen Versionen tradierten Roman erstellt hat.
Fol. 93r (Größe: 29 x 20 Zentimeter) hat das Jüngste Gericht zum Thema. Die schmierige, geradezu stümperhafte Zeichnung und Kolorierung stammt sicher nicht von Lauber persönlich, manche nennen einen nicht näher bekannten Nachfolger des Deutschen Hans Schilling (aktiv von 1459-1467). Die überwiegend rote und grüne Federzeichnung zeigt unten links das Neue Jerusalem als Kirche, angelehnt an zeitgenössische Fresken, hier mit grünem Dach und verzogenen Proportionen. Die Figuren vor dem Kirchlein sind möglicherweise von einem weiteren Illustrator, der die Geretteten hinter Petrus verstecken lässt, als ob sie sich nicht in die Pforte einzutreten trauten. Die Zeichnung ist nicht fertiggestellt, teilweise (etwa am Treppengiebel des Kirchenbaus) sieht man noch die Kompositionsskizze.
Die Handschrift war viele Jahre im Besitz des Kölner Schnütgen-Museums (dort Handschriftensammlung Ludwig, Inventar-Nr. 4, XV, 9). 1983 verkaufte der Eigentümer Peter Ludwig (1925-1996) allerdings seine national wertvollen Handschriften an das Getty Museum in Malibu (83.MR.179), worin man einen Verstoß gegen das Kulturgutschutzgesetz sehen kann. Fairerweise muss man sagen, dass das Getty-Museum die Handschrift vorbildlich digitalisiert hat und sie der Weltöffentlichkeit zur Verfügung stellt, zu einem Zeitpunkt, als deutsche Museen mit dem Internet noch überfordert waren und von public domain zunächst nichts wissen wollten, zum Teil auch dessen Bedeutung nicht verstanden haben.

Anton von Euw, Joachim M. Plotzek: Die Handschriften der Sammlung Ludwig, 4, Köln 1985, S. 256-266, Abb. 187-228.
Lieselotte E. Saurma: Spätformen mittelalterlicher Buchherstellung. Bilderhandschriften aus der Werkstatt Diebold Laubers in Hagenau, Wiesbaden 2001.

 

tags: Weltgericht, Spätmittelalter, Gotik, USA
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