Heilige Karten, meist mit einem Bild und einem Gebet versehen, gibt es schon seit dem späten Mittelalter. Gerne wurden sie an Wallfahrtsorten vertrieben, die Karten gaben dem Gläubigen Schutz und Trost auf Reisen, bei Krankheit oder anderen Schwierigkeiten. Populär waren die Karten nochmals vor allem nach Verbreitung des Farblithographiedrucks im 19. Jahrhundert. Man kennt sie fast nur in der katholischen Volksfrömmigkeit, vorzugsweise in Spanien, Frankreich und Italien.
Andachtskarten mit aufwendig gestalteten Bordüren, die an Textilien erinnern sollten, waren um 1860 als Modeerscheinung verbreitet. Vor allem in Paris wurden solche Werke gedruckt, wie diese, am Place de l’Abbé-Basset bei der Kirche Saint-Étienne-du-Mont. Thema ist die Himmelspforte: Als „La porte du Ciel sera ouvert á l’áime Chrétienne qui se sera polie par la Charitè“ wird sie bezeichnet („Die Tür des Himmels wird der christlichen Seele geöffnet, die von der Nächstenliebe erfüllt wird“). Um die neobarocke Pforte, die offen zwischen den Wolken schwebt, sind zahlreiche Symbole gesetzt, die heutige Betrachter und Betrachterinnen kaum noch kennen. Ganz unten befinden sich zwei sich kreuzende Schlüssel: Dies ist einerseits ein Symbol des Papstes, dann auch ein Hinweis, dass diese Pforte zukünftig noch geöffnet werden muss. In der Pforte schwebt ein Dreieck als Verweis auf die lateinische Trinität von (Vater)Gott, dem Sohn (Christus) und dem Heiligen Geist. Der Heilige Geist ist übrigens durch die weiße Taube rechts dargestellt. Über der Pforte schwebt ein Banner mit der französischen Aufschrift „Foi“ („Glaube“) und Charite („Caritas“ bzw. „Barmherzigkeit“). Auf die Pforte wurde noch ein lateinisches Kreuz gesetzt, des Weiteren links ein Engelskopf mit missratener Kopfform. Unterzeichnet ist die Karte mit „Basset Paris“, wobei es sich um einen Verlag in der Rue S. Jacques a Se. Geneviève handelt. Die daran beteiligten Künstler oder Künstlerinnen sind namentlich nicht bekannt.
Hans Gärtner: Andachtsbildchen. Kleinode privater Frömmigkeitskultur, München 2004.
Sandra Dipasqua, Barbara Calamari: Holy cards, New York 2004.