Der Triumphbogen an der Westseite der Martinskapelle in Bürgstadt am Main im Landkreis Miltenberg (Unterfranken) ist bezüglich der dortigen Präsentation des Himmlischen Jerusalem in mindestens zweifacher Hinsicht bemerkenswert. Zum einen sieht die Himmelspforte dort wie eine Wandtür aus, die zur Martinskapelle gehören könnte – die Architektur des Neuen Jerusalem ist als Illusionsmalerei mit künstlichem Marmor gestaltet, vor der Petrus (am Schlüssel gut zu erkennen) eine Vielzahl von Geretteten durch die Pforte lässt. Zum anderen sind die Gräber vor der Pforte, die ansonsten stets gleich als rechteckige Kisten dargestellt sind, hier individualisiert – es gibt sie in ovaler, länglicher, kreisrunder und anderer Form. Sie sind Teil einer Weltgerichtsdarstellung mit Christus in der Mitte und einer Höllendarstellung rechts, der die Stadt Jerusalem links gegenüber gesetzt ist.
Die Kapelle gilt im Kern als eines der ältesten Gotteshäuser in ganz Franken. 1589/90 malte Andreas Herneisen den Chorraum, die Decken und die Empore im Renaissancestil aus, sein Kollege I. B. Michel (Signatur: IBM) setzte 1593 die malerischen Arbeiten seines Kollegen fort. Vermutlich hielt Michel sich beim Triumphbogen an die Vorarbeiten oder an die Konzeption von Herneisen. Es ist eines der ganz wenigen Beispiele von Wandmalereien mit dem Himmlischen Jerusalem aus der späten Reformationszeit in Franken, als dieses Thema nicht sonderlich beliebt war. Daher wurden auch in Bürgstadt die Malereien kurz nach ihrer Entstehung bereits wieder übertüncht und waren Jahrhunderte nicht mehr sichtbar. Heute sind sie der künstlerische Höhepunkt der Kapelle.
Norbert Schmitt: Beiträge zur Geschichte der Martinskapelle in Bürgstadt, in: Der Odenwald, 24, 1977, S. 14-27, S. 39-51
Wolfgang Meister: Die Martinskapelle in Bürgstadt. Zeugnis von Kunstsinn und Glaubenseifer einer Landgemeinde um 1600, Bürgstadt 2004.
Wolfgang Meister: Die Kirchen in Bürgstadt, Bürgstadt 2006.