
1939 GEB. Paul Reding (geb. 1939): Adventskranz der St.-Marien-Kirche in Waltrop (1998/2009) und Nachahmungen in St. Josef in Kinderhaus (2011) und Kloster Nütschau (2012)
Möglicherweise ist Paul Reding (geb. 1939) aus Castrop-Rauxel, später Waltrop, der Erfinder von quadratischen Jerusalems-Adventskränzen? Der Künstler hatte schon 1998 einen ersten solchen Adventskranz hergestellt, mit acht Toren, vier Kerzen und einem Tannenzweiggeflecht. Dieses Objekt wurde ausschließlich privat verwendet und stand Modell, verschiedene Motive auf Adventskränze zu bringen, so entstanden kurz darauf Adventskränze mit den vier Evangelisten und einer mit einer Himmelsleiter. Diese Kränze sind fotografisch nicht dokumentiert und haben sich nicht erhalten.
Franz Josef Durkowiak, ein Priester an der römisch-katholischen Marienkirche von Waltrop, war mit dem Künstler befreundet. Durkowiak war von der Idee dieser Kränze begeistert und motivierte zu einem zweiten Versuch. So wurde in der Marienkirche 2009 erneut das Himmlische Jerusalem zum Thema eines Adventskranzes. Reding meinte aus Erinnerung, die zweite Fassung sei dem ersten Adventskranz sehr nahe gekommen, man könnte sie eigentlich nicht unterscheiden.
Aus Platzgründen setzte er nur acht Tore, die übrigens der Form nach sein Himmlisches Jerusalem auf dem Taufbecken der Waltroper Kirche nachahmen. Um die Zahl zwölf doch noch zu thematisieren, wurden vier Kerzen an die Ecken der Stadt gesetzt. Dass sich die Adventsbotschaft dem Betrachter so auch ein wenig kantig präsentiert, war dem katholischen Priester Franz Josef Durkowiak durchaus bewusst: „Der Sprung zwischen Bethlehem und dem himmlischen Jerusalem ist groß“. Dennoch ist die Idee nicht so weit hergeholt, wie es zunächst erscheinen mag. Denn die Adventszeit mit der Erwartung der Geburt Jesu ist immer auch mit der Erwartung seiner Wiederkehr verbunden, die in der Offenbarung des Johannes beschrieben wird. So sei die Adventszeit nicht nur Ausblick auf Weihnachten, sondern auch Ausblick auf diese Zeit der Vollendung. Die Hoffnung auf Wiederkehr habe ihren Ursprung in Bethlehem, meinte Durkowiak. Wer sich auf diese doppelte Erwartung in der Adventszeit einlasse, könne auch alles verstehen, was dazwischen geschehe. Und vor diesem Hintergrund, der sich zwischen Geburt und Wiederkehr spannt, ist es möglich, Mut zu bekommen, die Dunkelheit der menschlichen Herausforderungen zu bestehen.
Der eckige Adventskranz. Bild für das himmlische Jerusalem, in: Missa – katholische Zeitung für Waltrop, 1, 1, 28. November 2009, S. 9.
Claus Bernet: Jerusalems-Leuchter, Jerusalems-Kerzen und Adventskränze, Norderstedt 2015 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 25).
Der Waltroper Adventskranz wurde damals viel beachtet, es kursierten mehrere Berichte im Internet. Vermutlich hat er zu mindestens zwei Nachahmungen geführt, zunächst ebenfalls im Bistum Münster, in der römisch-katholischen Kirchengemeinde St. Josef in Kinderhaus (einem Stadtteil von Münster). Hier hatte der Kranz vier violette Kerzen für die vier Sonntage und 24 kleinere Lichter, die nach und nach an den Dezembertagen entzündet wurden. Die vier großen Kerzen an den Ecken hatten in etwa die gleiche Farbe wie die Rahmen der zwölf Pforten. Über jedem dieser Rahmen war eine der 24 kleineren Lichter in Form eines Teelichts gesetzt, bei zwei Rahmen pro Tor kommt man auf jeder Seite auf sechs Lichter, mal vier macht vierundzwanzig. Über den Kerzen war auf alle Toren ein kleiner Holzengel gesetzt, wie man es von Schnitzfiguren aus dem Erzgebirge her kennt. Da der Leuchter keinen Boden hatte, entfällt die Binnengestaltung mit Häusern etc., dafür konnte man von unten aus durch ihn hindurchsehen. An den Rändern waren jedoch Holzpaneele für die Stadtmauer gesetzt, denen Glassteine als Edelsteine aufgesetzt waren. Die Idee zu diesem Beispiel wurde im Liturgieausschuss der Gemeinde 2011 gemeinsam entwickelt, unter Leitung des Priesters Jan Magunski nach Ideen des Aachener Religionspädagogen Hermann Kirchhoff (1926-2012), der wiederum mit Reding bekannt war und von dessen Leuchter angeregt wurde. Die Gemeinde schuf im November 2011 die Mauern des Kunstwerks, alle übrigen Arbeiten leistete Magunski nach eigenem Entwurf. Das ungewöhnliche Werk hing dann einige Jahre lang stets zur Adventszeit im Chor von St. Josef. Es war aber, anders als das Himmlische Jerusalem, nicht für die Ewigkeit gemacht, und die Materialien begannen sich nach einigen Jahren aufzulösen, die Kerzen waren abgebrannt. Noch vor 2020 wurde der Leuchter entsorgt und ist heute lediglich eine Erinnerung.
So ist es auch dem Jerusalem-Adventsleuchter des Klosters Nütschau ergangen, dem dritten und letzten Beispiel dieser Gruppe. Dort, in der Klosterkirche, ist ja bereits im Altarbereich das Himmlische Jerusalem im Hintergrund thematisiert. Dieser Adventskranz wurde 2012 von dem Benediktiner Elija, Johannes Pott, zusammengebaut. Hier befinden sich in den zwölf Toren jeweils drei Kerzen an einer Seite. An den vier Adventssonntagen werden drei Kerzen entzündet. Sie sollen für die dreifache Ankunft Christi stehen: Zunächst sein Eintritt in die Welt, den Christen mit der Menschwerdung Gottes in Jesus an Weihnachten feiern, dann seine Ankunft tagtäglich im eigenen Leben, in den Sakramenten, im gemeinsamen Gebet, in der Begegnung mit den Mitmenschen, schließlich sein Kommen am Ende aller Zeiten – das Himmlische Jerusalem, Stadt der Gerechtigkeit und des Friedens, der Ort erfüllter Sehnsucht der ganzen Schöpfung.
Andreas Hülser: Zwölf leuchtende Tore. Der Nützschauer Adventskranz verweist auf das himmlische Jerusalem, in: Neue Kirchenzeitung, 50, 16.12.2012.