Eine kunsthistorische Besonderheit bietet die römisch-katholische Kirche San Clemente (Basilica San Clemente al Laterano) in Rom aus dem 12. Jahrhundert. Hier befindet sich Jerusalem einmal auf der rechten Seite der Wandfläche der Apsis, jedoch teilweise bereits außerhalb der eigentlichen Apsiskuppel. Dies hat den Effekt, dass es so aussieht, als würde das erste Lamm plastisch aus der Stadt heraustreten. Neben dem Tor, aus dem das Tier ins Freie tritt, befindet sich eine weitere, geschlossene Pforte mit einem Hahn auf einer Treppe. Daran anschließend breitet sich nach rechts die Architektur der Stadt aus, im genretypischen Reichtum einer farbigen Edelsteinmauer.
Es handelt sich um eine der letzten Mosaikdarstellungen des Lämmerfrieses, der etwa für tausend Jahre in fast allen römischen Kirchen vorzufinden war und in der Spätantike zum Standard einer größeren christlichen Kirche oder Basilika gehörte. San Clemente ist eine Kirche in Rom, die an einem sehr alten Pilgerweg zum Lateran liegt. Von daher wurden die Arbeiten von vielen Gläubigen betrachtet und wirkten stilbildend. Das Mosaik befindet sich in der Oberkirche, in der auch heute noch regelmäßig Gottesdienste stattfinden.
Kunstgeschichtlich bedeutsam ist vor allem das beherrschende Mosaik der Apsis und der Apsisstirn mit dem Thema „Der Triumph des Kreuzes“ (12. Jahrhundert). In seiner Detailfülle und reichen Farbgebung stellt es ein ikonographisches und stilistisches Novum dar. Es wird ganz von einem stilisierten Lebensbaum mit einem lateinischen Kreuz eingenommen. Auf dem Kreuz sind zwölf Tauben dargestellt, die genauso wie die Lämmer im Fries darunter die Apostel symbolisieren, neben denen die biblischen Städte Bethlehem (links) und Jerusalem (rechts) zu finden sind.
Leonardo E. Boyle: Piccola guida San Clemente, Roma 1976.
Federico Guidobaldi, Irene Bragantini, Paul Lawlor: San Clemente miscellany, 4, 1: San Clemente. Gli edifici romani, la basilica paleocristiana e le fasi altomedievali, Roma 1992.
Joan Barclay Lloyd: A new look at the mosaics of San Clemente, in: Anne J. Duggan, Joan Greatrex (Hrsg.): Omnia disce. Medieval studies in memory of Leonard Boyle, O. P., Ashgate 2005, S. 9-27.
Stefano Riccioni: Il mosaico absidale di S. Clemente a Roma. ‚Exemplum’ della chiesa riformata, Spoleto 2006.
Das Detail aus San Clemente wurde mindestens einmal kopiert. Es ist allerdings keine exakte Kopie nach bildgebenden Verfahren, sondern eine freie Variante. Diese findet man in dem Bergdorf Gais in Südtirol. Dort ist die Kirche zum Heiligen Evangelist Johannes, kurz Johanneskirche, eine der ältesten Kirchen Tirols, die im Kern auf einen vorromanischen Bau zurück geht und 990 erstmals erwähnt wurde. Anfang des 20. Jahrhunderts entstand der Wunsch, diesem Alter auch gestalterisch Ausdruck zu geben und nahm eine neoromanische Umgestaltung vor. Johannes Schmid hat dafür eine Komposition für die Kuppel der Hauptapsis entworfen, die sich an Mosaike römischer Kirchen anlehnte – entweder war er selbst in Rom gewesen oder hatte entsprechende Abbildungen vor sich. Das Hauptmotiv mit der Majestas Domini ist an Jacopo Torritis Arbeit aus Santa Maria Maggiore angelehnt. Der Lämmerfries darunter wurde, vermutlich aus Kostengründen, nicht mehr als Mosaik, sondern als Fresko ausgeführt. Hier war die Vorlage San Clemente, wo man ebenfalls den Bewuchs zwischen den Lämmern findet, die Bezeichnung „Jerusalem“ über dem Tor und auch die markanten gedrehten Säulen. Weggelassen wurde der Hahn, da man ihn vermutlich nicht verstanden hatte, hinzugefügt wurde ein spätmittelalterliches Satteldach über dem Tor. Ausgeführt wurden die Arbeiten dann, nachdem das Mosaik fertiggestellt war, von dem Maler Neuhauser um 1911.