Das Tympanon über dem westlichen Portal der römisch-katholischen Pfarrkirche St. Anna im Lehel in München (ehemals auch St.-Anna-Vorstadt) ist ähnlich wie mittelalterliche Arbeiten gestaltet. Das Werk aus Kelheimer Auerkalk zählt, wie die gesamte Kirche St. Anna im Lehel, zu den besten Arbeiten des frühen Jugendstil-Historismus in Süddeutschland. Thema dieses 1892 entstandenen Reliefs von Anton Pruska (1846-1930) ist das Weltgericht. Links vor dem Tor in das Himmlische Jerusalem wurde ein Engel mit einer nach unten gesetzten Posaune angebracht, rechts befindet sich Petrus mit dem Schlüssel zur Himmelspforte, die als schmaler, unscheinbarer Turm zwischen diese beiden Figuren gesetzt wurde. Auch im Original sind die Einzelheiten aus der Fernsicht für den Betrachter nur schwer zu erkennen. Petrus ist offenbar die einzige Figur mit Heiligenschein, obwohl die Personen in antiken Gewändern hinter ihm vermutlich Märtyrer und damit ebenfalls Heilige darstellen, einer sogar mit Bischofsstab.
Dominikus Lutz: Die Klosterkirche St. Anna in München: Dokumentation einer Rekonstruktion – Restauration – Renovation, München 1977.
Sigfried Grän: Katholische Stadtpfarrkirche St. Anna – Lehel, Regensburg 2002 (6).
Anne Heinig: Die Pfarrkirche St. Anna in München-Lehel, in: Die Krise des Historismus in der deutschen Sakralde-koration im späten 19. Jahrhundert, München 2004, S. 113-122.
Zum Künstler:
Anton Pruska stammt aus Böhmen, wo er am 1. Juni 1846 in Goldbrunn geboren wurde. Für seinen Namen findet sich gelegentlich auch die tschechische Form Antonin Pruscka. Vor 1873 muss er nach München gekommen sein, denn Pruska war damals Mitbegründer der Künstlergemeinschaft Allotria. Ab 1895 war er im Staatsdienst tätig und unterrichtete die Klasse für dekorative Plastik an der Kunstgewerbeschule in München. Dort führte er auch sein Atelier und gestaltete hauptsächlich schmückende Arbeiten im Außenbereich, wie Reliefs, Plastiken, Bronzefiguren, Gedenktafeln. Datierte Arbeiten finden sich erst spät, so gehört die Kirche in Lehel zu seinem Frühwerk und ist seine erste nachgewiesene Arbeit. Anschließend bekam Pruska Aufträge von weiteren katholischen Kirchen Münchens, wie St. Rupert oder St. Benno, dann auch bedeutende öffentliche Aufträge, wie die Ausgestaltung des Künstlerhauses und Mitarbeit an der Fassadengestaltung des Bayerischen Nationalmuseums. Außerhalb Münchens ist allein seine Mitarbeit am Umbau des Alten Leipziger Rathauses von 1906 bis 1909 nachgewiesen. Im Stadtteil Lehel ist übrigens, neben der Beteiligung an der Kirche, auch der St. Anna-Brunnen von Pruska gestaltet worden, welcher ebenfalls ein apokalyptisches Thema aufnimmt, nämlich die vier Paradiesflüsse. Der Künstler ist am 24. Juli 1930 in München verstorben, die Kriegszerstörung vieler seiner Werke hat er nicht mehr erleben müssen.