William Marshall, Francis Potter (1594-1678): „An Interpretation of the Number 666“ (1642)

Der Engländer Francis Potter (1594-1678) war ein Multitalent, er arbeitete als Maler, Kirchendiener, als Bibelexeget und war ab 1663 eines der ersten Mitglieder der Royal Society. Potter, ein Unsteter, war zeitlebens unverheiratet, lebte zurückgezogen wie ein Mönch und beschäftigte sich intensiv mit dem Millenarismus und apokalyptischen Spekulationen. Diese veröffentlichte er 1642 in Oxford bei dem Verleger Leonard Lichfield (1604-1657) unter dem Titel „An Interpretation of the Number 666“ („Eine Deutung der Zahl 666“). Die Titelseite gestaltete jedoch nicht Francis Potter, sondern der Kupferstecher William Marshall (auch Marshal), vermutlich auf Anweisungen Potters, die dieser als Experte auf dem Gebiet der Endzeit sich nicht nehmen ließ.
Der Ausschnitt zeigt oben links die 144.000 Geretteten, daneben die zwölf Apostel. Darunter ist das Himmlische Jerusalem gesetzt, als differenzierte Stadt mit vielen unterschiedlichen, dicht gedrängten Wohnbauten. Die Zahl „12“ darüber bezieht sich auf die zwölf Tore, die auch in der Zeichnung gut zu sehen sind. Obwohl in dem Werk auf Textgenauigkeit größter Wert gelegt wird und die eigenartigsten Absonderlichkeiten mit der Bibel erklärt werden, wird darauf verzichtet, die Stadt ins Quadrat zu setzen.

David Brady: The contribution of British writers between 1560 and 1830 to the interpretation of Revelation 13, 16-18, Tübingen 1983.

 

Zum Künstler:

William Marshall (aktiv von 1617 bis 1649) war ein britischer Kupferstecher und Illustrator aus dem 17. Jahrhundert. Er war vor allem für seinen Druck „Charles the Martyr“ bekannt, eine symbolische Darstellung von König Charles I. von England als christlicher Märtyrer. Über Marshalls Leben ist nichts weiter bekannt, außer Hinweisen auf seine Karriere als Graveur. Marshalls frühestes Werk ist das Titelbild des 1617 veröffentlichten Buches „A Solemne Joviall Disposition Briefing Shadowing the Law of Drinking“. In den 1630er Jahren produzierte er eine Reihe von Porträtstichen und Titelbildern. Seine ehrgeizigste Arbeit war das aufwendige Frontispiz zu George Withers Sammlung von Emblemen von der Antike bis zur Moderne (1635).
Hinzu kommen Porträtstudien: 1640 schuf Marshall ein Bild von William Shakespeare für John Bensons Ausgabe der Sonette des Dichters. Fünf Jahre später schuf er ein Bild von John Milton, für Miltons Gedichte von 1645. Nach dem Ende des englischen Bürgerkriegs, als König Charles vor Gericht gestellt und zur Hinrichtung verurteilt wurde, wurde ein Buch mit dem Titel „Eikon Basilike“ (griechisch: Eικων Bασιλικη) herausgebracht. Es soll sich um eine spirituelle Autobiographie des Königs handeln. Das Werk wurde am 9. Februar 1649 veröffentlicht, zehn Tage nachdem der König auf Anordnung des Parlaments enthauptet worden war. Marshall gestaltete das Porträt auf dem Titelbild, das eine Symbolik verwendet, die aus der emblematischen Tradition abgeleitet war. Marshall zeigt den König als christlichen Märtyrer. Das Buch und das Bild wurden so beliebt, dass Marshall die Platte sieben Mal neu gravieren musste. Es wird angenommen, dass Marshall 1649 starb, da es keine Hinweise mehr auf ihn gibt und die Eikon Basilke-Platte zum achten Mal in diesem Jahr von einem anderen Graveur, Robert Vaughan, neu graviert wurde.

 

tags: England, Apokalyptik, Emblematik, Frühe Neuzeit, Kupferstich
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