Georg Steyger (1564-1638): Schalldeckel der Kanzel aus Helmstedt (um 1597)

Der Quedlinburger Bildschnitzer und Kanzelbauer Georg Steyger (1564-1638) wurde auch in Helmstedt tätig, nämlich in der evangelischen Kirche St. Stephani. Die dortige Kanzel wurde kurz nach dem Jahr 1596 fertiggestellt, als Stiftung der Söhne von Joachim und Agnes Mynsingers von Frundeck. Das imposante Kunstwerk, das auch heute noch die Blicke aus dem Kirchenschiff an sich zieht, wurde in der Mitte der Südwand aufgestellt. Auf dem Schalldeckel ist ein Himmlisches Jerusalem aufgebaut, das von der Halbfigur Gottvaters unter einem reich verzierten Baldachin bekrönt wird. Die zahlreichen Häuser und Türme sind auf eine kleine Anhöhe gesetzt, den Zionsberg. Sie sind individuell gestaltet und in einem einheitlichen Rotton bemalt.

Bei der Kanzelausgestaltung arbeitete ein Theologe mit, und das ikonographische Programm wurde vom Auftraggeber in einem Modell vorgegeben, das die Kenntnis der Kanzel in Quedlinburg belegt, da man in Helmstedt einen ebensolchen Schalldeckel haben wollte. Auch hier ist die Idee des Heilswegs mit einem Aufstieg vom Alten zum Neuen Testament bis hin zum Himmlischen Jerusalem, abzulesen am Bildprogramm von den Kanzelfüßen über die Kanzeltreppe bis hinauf zum Schalldeckel, verwirklicht. Eine Besonderheit am Rande: Am Kanzelpfeiler auf einer Konsole stehen in Höhe des Schalldeckels zwei Gestalten, ein Engel und Johannes, die von Weitem das Himmlische Jerusalem bestaunen.

Eine weitere Besonderheit bietet die Tür zur Kanzeltreppe. Diese war selbstverständlich geschlossen und nur für den Pfarrer zugänglich. Hier hat Georg Steyger an der Türaußenseite, zur Gemeinde hin, zwei identische Himmelspforten im Renaissancestil mit Engelsköpfen gesetzt. Die dahinterliegende Idee: Mit Durchschreiten der Tür betritt der Pfarrer das Himmlische Jerusalem und spricht quasi bereits aus diesem Ort zu der Gemeinde nach unten. Diese hatte bildlich während des gesamten Gottesdienstes das eigentliche Ziel des Lebens vor Augen, denn das Himmlische Jerusalem ist so gesetzt, dass es von allen Positionen des Kirchenschiffs und den zwei Emporen aus gut gesehen werden kann.

 Johann Bartels: Die St. Stephani-Kirche zu Helmstedt, Helmstedt 1906.
Hermann Oertel: Die St.-Stephani-Kanzel zu Helmstedt und ihre Stellung in der Frühgeschichte der protestantischen Kanzel, in: Jahrbuch der Gesellschaft für niedersächsische Kirchengeschichte, 50, 1952, S. 96-103.
Peter Poscharsky: Die Kanzel. Erscheinungsform im Protestantismus bis zum Ende des Barocks, Reprint Gütersloh 1963.
Rudolf Kleinert: St. Stephani-Kirche zu Helmstedt, Helmstedt (1965).
Rosemarie Pohl: Ecclesia in monte: Die Kirche auf dem Berge. Sankt Stephani zu Helmstedt, Helmstedt (2008).

 

tags: Renaissance, Kanzel, Braunschweiger Land, Niedersachsen
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