In dem Maßwerk des Chorherrenstifts in Denkendorf (Landkreis Esslingen bei Stuttgart) befanden sich noch gotische Scheiben in einer Bleifassung aus dem 13. Jahrhundert. Diese nahm man bei der Renovierung 1957 heraus und ersetzte sie durch das heutige Fenster. Dazu beauftragte man die bekannte Firma Saile aus Stuttgart. Der ausführende Künstler oder Künstlerin ist namentlich nicht bekannt, auch Recherchen bei der Firma Saile konnten keine endgültige Klärung herbeiführen. Aufgrund der Ähnlichkeiten zu einem Fenster in Herrenberg wird auch dort eine Mitarbeit von Anna-Dorothea Kunz-Saile nicht ausgeschlossen, da sie zu dieser Zeit bereits im Familienbetrieb der Glasfirma mitarbeitete.
Das Motiv des Gotteslamms, umrahmt von den zwölf weißen und großen Perlen auf den rötlichen Mauern der quadratischen Stadt, belegt, nach Auskunft der Gemeinde, ihre pietistische Tradition Gemeint ist mit dieser Wertschätzung u.a. eine besondere Hoffnung auf die Endzeit. Das Lamm steht auf einem schachbrettartigen Neuen Jerusalem, umgrenzt von den Perlen im Wechsel mit den Edelsteinen, wie sie in der Offenbarung des Johannes namentlich genannt sind. Über jeder Perle steht ein großer Engel, der jeweils ein Tor in die Stadt bewacht. Diese insgesamt zwölf Engel formieren einen Kreis, während die eigentliche Stadt in das Quadrat gesetzt ist. Jeweils eine der vier Seiten zeigt drei Perlen, drei Edelsteine und drei Engel. Die übergroßen Perlen sind allesamt weiß, die Edelsteine haben jeweils eine unterschiedliche Farbe. Bauten sind in der Stadt nicht zu sehen, die auch ohne Tore und Stadtmauer auskommt. Die Mauer und die Tore werden allein durch die Edelsteine als Fundament und die Perlen als Tore angedeutet.
Man findet das Fenster in einem Tondo über zwei Rundbogenfenstern direkt im Altarbereich der Kirche. Diese gehört zum Komplex des Klosters Denkendorf, einem Stift des Ordens der Chorherren vom Heiligen Grab in Denkendorf, wodurch der besondere Bezug zu Jerusalem deutlich wird. Noch deutlicher wird der Bezug, wenn man sich vergegenwärtigt, dass hier in Denkendorf auch kostbare Reliquien aufbewahrt werden, die den Ort auch zu einer Wallfahrtsstätte machten. Auch zeigt diese Arbeit in der Kirche das Neue Jerusalem nicht zum ersten Mal: Über viele Jahrhunderte befand sich auf dem Triumphbogen ein Weltgericht mit einer Himmelspforte, von der sich aber nur Farbreste erhalten haben. Somit ist heute das Glasfenster der einzige Referenzpunkt zum Himmlischen Jerusalem geworden.
Heinrich Werner: Kloster Denkendorf: ein Gang durch seine Bauten und seine Geschichte, Denkendorf 1976 (3).
Claus Bernet: Kirchenfenster und Glasarbeiten, Norderstedt 2013 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 6).