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Elmar Hillebrand (1925-2016) u.a.: Synagogendenkmal in Hildesheim (1988)

In Hildesheim steht weltweit das wohl einzige Holocaustdenkmal, das das Himmlische Jerusalem thematisiert. Vielleicht ist es sogar das einzige Denkmal mit dieser Thematik. Das Denkmal besteht aus einem steinernen Kubus, an dessen vier Schauseiten mehrere Bronzeplatten angebracht wurden. Über dem Kubus schwebt oben die Gottesstadt. Sie wird von vier Löwen in den jeweiligen Ecken des Quadrats getragen, eine Anspielung auf den Stamm Juda. Die Stadt ist vollständig aus Bronze gearbeitet und erinnert an die ehemalige, vernichtete Hildesheimer Synagoge: Die spitz zulaufenden Türme mit Kegeldach waren dort einst zu finden, bis der Bau während des Novemberpogroms 1938 gewaltsam zerstört wurde.
Das Denkmal ist eine gemeinsame Arbeit der Künstler Elmar Hillebrand (1925-2016), Theo Heiermann (1925-1996), Jochem Pechau (1929-1989) und Karl Matthäus Winter (1932-2014), von denen jeder eine Seite des Kubus gestaltet hat. Fachlich wurden die vier Künstler von Professor Pinchas Lapide (1922-1997) beraten. Die zentrale Bronzeplastik auf dem Mahnmal stammt von Elmar Hillebrand. Hillebrand wurde 1925 in Köln geboren und hat die Zerstörung des mittelalterlichen Kölns erfahren müssen. Nach Kriegsgefangenschaft studierte er Kunst in Düsseldorf und Paris. 1952 begann er, eigene Arbeiten anzufertigen, Werke entstanden in Bronze, Steinplastiken, Brunnen und Orgelprospekte. Immer wieder – 1954, 1957, 1959 – hielt er sich längere Zeit in Rom und im Vatikan auf. Viele sakrale Arbeiten Hillebrands sind in katholischen Kirchen anzutreffen, u.a. im Kölner Dom und in St. Pantaleon (ebenfalls in Köln).
Dass nun ein Künstler, der selbst Kriegsdienst geleistet hat und dezidiert als Katholik künstlerisch tätig ist, ein Denkmal für eine zerstörte Synagoge schuf, war in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts keine Selbstverständlichkeit. Von vornherein sollte kein „jüdisches“ Denkmal im Sinne einer kunsthistorischen Überlieferung geschaffen werden. Auch wollte man die jüdische Geschichte nicht allein auf das Leiden und den Holocaust einengen. Es sollte ein Zeichen der Hoffnung gesetzt werden, nicht der Verzweiflung. Dafür steht das Himmlische Jerusalem. Es befindet sich nicht am Ende einer Kausalkette menschlicher Taten, sondern steigt unerwartet von oben herab. Auch darf man das Himmlische Jerusalem nicht auf die Johannesoffenbarung allein begrenzen; der Gedanke der Gottesstadt entwickelte sich bereits im Alten Testament und erscheint auch in verschiedenen jüdischen Apokalypsen, die nicht in den biblischem Kanon aufgenommen wurden. Dennoch wurde, als das Mahnmal 1988 eröffnet wurde, der Gedanke an das Himmlische Jerusalem als unpassend empfunden und verschwiegen. Weder in den Festansprachen noch in dem Begleitband zu der Mahnmaleröffnung wurde vom Himmlischen Jerusalem gesprochen, sondern lediglich von Jerusalem oder „Gottes Stadt“. Der am Denkmal beteiligte Bildhauer Karl M. Winter meinte dazu: „Zunächst schien der Gedanke an das Himmlische Jerusalem eine Provokation. Wir haben es aber als ein Neues Jerusalem verstanden, als eine Vision für ein künftiges, friedliches Zusammenleben, nicht allein in Palästina, sondern auf der gesamten Welt. Der Universalgedanke an Jerusalem verbindet ja Judentum und Christentum, er ist quasi ihr Fundament, wie der Kubus als das Fundament für die darüberliegende Stadterscheinung verstanden sein will“.

 Hermann Siemer: Hoffnung voll Unsterblichkeit. Das Mahnmal für die Synagoge am Lappenberg in Hildesheim. Entstehung, Gestaltung, Deutung, Hildesheim 1989.
Elmar Hillebrand: Capriccios in Architektur, Köln 2008.

tags: Hildesheim, Elmar Hillebrand, Denkmal, Moderne, Juden, Niedersachsen, Kubus, Löwe, Bronze
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