Radleuchter aus St. Stephanus und St. Sixtus in Halberstadt (1516)

Der evangelische Dom St. Stephanus und St. Sixtus in Halberstadt (Harz) ist einer der wenigen großen Kirchenbauten, der im typisch französischen Baustil in Ostdeutschland noch heute besichtigt werden kann. Als letzte Ergänzung wurde 1514 der neue Kapitelsaal fertiggestellt und kurz darauf, im Jahr 1516, kam der Radleuchter im Mittelschiff hinzu. Nach einer Reihe von mittelalterlichen Jerusalemsleuchtern, beispielsweise in Hildesheim, aber auch in Einbeck, ist dies vermutlich der erste bis heute erhaltene frühneuzeitliche Leuchter. Er ist eine Schmiedearbeit aus Eisen eines lokalen Handwerkers, welche früher vergoldet war. Es handelte sich um eine Stiftung des Dompropstes Balthasar von Neuenstadt, der 1516 verstarb, sie konnte aus seinem Nachlass finanziert werden. Sein ritterliches Familienwappen schmückt noch heute einen Teil des Reifs. An diesem breiten, reichlich ornamentierten Reif ist auch figürlicher Schmuck zu finden, wie Engel oder Seeungeheuer – die kunsthistorische Deutung der Szenen, die vielleicht aus einer Buchvorlage entnommen wurden, steht noch aus. An der Außenseite des Reifs sind zwölf Figuren angebracht. Sie alle sind von einer schützenden Architektur mit jeweils einem Baldachin umgeben, die an mittelalterliche Torhäuser angelehnt ist. Es handelt sich dabei um die zwölf Apostel. Auf der Reifkrone waren früher Wachskerzen aufgesteckt, die längst durch elektrisches Licht ersetzt wurden. Die vielen Jahrhunderte, wo es nur Kerzenbeleuchtung gab, musste der Leuchter täglich zum Wechseln der Kerzen an seiner Kette heruntergefahren werden. All dies ist aus angeblichen Sicherheitsbedenken längst verboten, wobei es in Wirklichkeit vermutlich die Kosten sind, die diesem Leuchter seine eigentliche Funktion genommen haben.

Johanna Flemming, Edgar Lehmann, Ernst Schubert: Dom und Domschatz zu Halberstadt, Leipzig 1990.
Wolfgang Schenkluhn: Halberstadt. Dom und Domschatz, Halle 2002.
Petra Janke: Der Dom zu Halberstadt, München 2007.
Claus Bernet: Jerusalems-Leuchter, Jerusalems-Kerzen und Adventskränze, Norderstedt 2015 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 25).

 

tags: Dom, Frühe Neuzeit, Jerusalemsleuchter, Harz, Sachsen-Anhalt
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