Der kleine Ort Palech in der Oblast Iwanowo ist vor allem für das dort gepflegte Ikonenmaler- und Lackier-Handwerk bekannt. Zum Ende des 17. Jahrhunderts etablierte sich in Palech bereits ein eigenständiger Stil der Ikonenmalerei, der unter anderem an Traditionen aus dem Fürstentum Wladimir-Susdal anknüpfte. Auf ihnen findet sich bei Weltgerichtsdarstellungen das Neue Jerusalem stets oben links, wo ein schmales Wolkenband und eine Reihe von Heiligen vor einigen Bauten stehen, von denen immer die offene Torpforte der in Größe, Form und Farbe hervorstechendste ist.
Ein frühes Beispiel befindet sich heute in der Nationalgalerie Prag, Inventar-Nummer O 15196. Es wurde von einem unbekannten Meister im 17. Jahrhundert als Palech-Ikone gefertigt. Aus dem Paradies links unten steigen gerettete Seelen nach links oben auf, wo in der Ecke das Neue Jerusalem dargestellt ist. Dominierend ist ein rotes offenes Tor, in welchem ein Engel die Ankommenden empfängt (Prinzip Fahrstuhlikone). Weiter rechts stehen bereits angekommene Heilige. Im Hintergrund deuten vereinzelt grüne Blätter einen Paradiesgarten an.
Michaela Ottová: P°ust očí. Pravoslavné umění z českých a moravských sbírek, Olomouc 2005.
Ein besonders schönes Exemplar wird heute im Norwegischen Nationalmuseum in Oslo aufbewahrt. Es ist auf das Jahr 1700 datiert. Auf dem Ausschnitt ist links ein hoher schmaler Bau zu sehen; es ist der Eingang in die Stadt. Die Mauern der Stadt werden quasi durch die Reihen der Heiligen gebildet, das sonst übliche Wolkenband der Abgrenzung ist hier so gut wie verschwunden. Über den Heiligen ziehen sich weitere rosafarbene, gelbe und blaugrüne Bauten entlang.
Diese späte Palecher Ikone aus der Sammlung von Vladimir Kravtsov entstand in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Sie hat eine Gesamtgröße von lediglich 32 x 27 Zentimeter, der Ausschnitt von 15 x 13 Zentimeter zeigt das Neue Jerusalem mit einem barocken Torbau, dessen schmuckverzierte Flügel nach außen zeigen. Daran schließen sich weitere Bauten an, von denen man vor allem die unterschiedlichen Turmdächer sehen kann, die das hohe Können des Ikonenmalers bezeugen.
Weitere Ikonen dieses Stiles besitzt auch die Tretjakow-Galerie in Moskau.