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Ingrid Vetter-Spilker (1939-1999): St. Mariä-Himmelfahrt in Rheinberg-Ossenberg (1991)

Die Werkstatt für Glasmalerei Hein Derix in Kevelaer erhielt am 18. November 1991 den Auftrag, in Zusammenarbeit mit der Künstlerin Ingrid Vetter-Spilker (1939-1999) aus Hamminkeln, das Chorfenster der römisch-katholischen Kirche St. Mariä-Himmelfahrt in Rheinberg-Ossenberg (Niederrhein) zu fertigen. In der Kirche befanden sich bereits figürliche Fensterarbeiten des Künstlers Heribert Reul aus der Erbauungszeit 1959, die nun durch abstrakte Fenster ergänzt werden sollten. Der ursprüngliche Entwurf der Künstlerin für das Fenster hatte nicht die Zustimmung der bischöflichen Behörde gefunden. So konnte das abstrakt gehaltene Fenster „Himmlisches Jerusalem“ mit seiner vertikalen Linienführung nur in abgewandelter Form 1992 eingesetzt werden, manche bezeichnen es daher heute auch als „freie Komposition“. Die Fensterarbeit ist für mich ein Beispiel, wie es bei radikal abstrakten Arbeiten nicht mehr möglich ist, einzelne figürliche Elemente der Stadtbeschreibung aufzufinden. Auch kann man gewissermaßen die Gegenprobe machen. So habe ich bei meinem letzten Besuch 2023 Besucher nach dem Gottesdienst zu dem Fenster befragt. Niemand ist darauf gekommen, dass die Fensterarbeit mit dem Himmlischen Jerusalem in Beziehung steht.

Die Künstlerin hatte fünf Bahnen zu gestalten, die durch vier breitere vertikale Sprossen und vier schmalere horizontale Sprossen strukturiert sind. Davon abgesetzt besitzt das Gesamtfenster unten fünf weitere Felder als eine Art Basis und oben ebenfalls fünf Felder als eine Art Kapitell oder Abschluss. Auf den weißlichen Grundton hat Vetter-Spilker nun goldgelbe Lichtstreifen eingesetzt, die sich in jeder Bahn in unterschiedlicher Stärke von oben nach unten ziehen. Von den Bänken aus dem Schiff ist das Fenster an der linken Altarseite direkt kaum einzusehen, wohl aber indirekt auf dem Fußboden. Dort spiegeln tagsüber polierte Granitplatten die Farben und Formen in einem ungewöhnlichen Detailreichtum. Ob diese Verdoppelung gewollt oder Zufall ist, lässt sich kaum mehr zuverlässig herausfinden, jedenfalls ist der Lichteffekt eine optische Bereicherung.

Fünfzig Jahre Pfarrkirche St.-Mariä-Himmelfahrt Ossenberg. Chronik 1953-2003, hrsg. von der katholischen Kirchengemeinde St.-Mariä-Himmelfahrt Ossenberg, Ossenberg 2003.
Claus Bernet: Kirchenfenster und Glasarbeiten, Teil 3, Norderstedt 2015 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 26).

 

tags: Niederrhein, abstrakt, Lichtstreifen
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