Weniger bekannt ist die kuriose und einzigartige „historische Landschaftsbilderbibel“ in Arenberg bei Koblenz. 1834 hatte dort der Priester Johann B. Kraus (1805-1893) im Alter von 29 Jahren die vakant gewordene Pfarrstelle übernommen. Im Laufe der Jahre entstanden an seinem Wirkungsort 60 Grotten, Kapellen und die römisch-katholische Kirche St. Nikolaus. Das alles ist auch ein eindrucksvoller Beweis, was ein einzelner bei Beharrlichkeit zu leisten in der Lage ist. Gegliedert sind die Bauten in einen Bereich Ölberg, einen Mariengarten, den Leidensweg, einen Antoniusgarten, einen Paradiesgarten, einen Friedhof und schließlich einen Kreuzweg. Die hundert Jahre später beliebten Bibelgärten haben hier einen ersten Vorläufer. An vielen dieser Arbeiten beteiligte sich Kraus künstlerisch und er trug auch die Hauptlast der Finanzierung, unterstützt von seiner Förderin Augusta Marie Luise Katharina von Sachsen-Weimar-Eisenach, der späteren Kaiserin Augusta.
Nach fast fünfzigjähriger Unterbrechung wurden Mitte der 1930er Jahre, also lange nach dem Ableben Krauses, die Arbeiten an der historischen Landschaftsbilderbibel wieder aufgenommen. Renovierungen und Ergänzungen waren notwendig geworden. 1936 kam ein Fenster mit dem Neuen Jerusalem zu dem Ensemble hinzu. Es fand seinen Platz in der bereits existierenden Himmelfahrtsgrotte, einer achteckigen Kapelle aus weißem Quarz und grauen Bergkristallen am Eingang des Arenberger „Ölbergs“. Eigenartigerweise beginnt der Rundgang hier, obwohl das Himmlische Jerusalem eigentlich der Endpunkt eines christlichen Lebenswegs ist.
Das Fenster wurde 1936 von Franz Bettingen hergestellt. Hierbei handelt es sich um einen örtlichen Glasmaler oder Handwerker, der ansonsten kaum bekannt ist – vermutlich lebte er zusammen mit seiner Frau im Arenberger Haushalt und kümmerte sich um die Pfarrer-Kraus-Anlagen. Die Buntglasarbeit besteht aus zwei Teilen. Der obere Teil zeigt zahlreiche Bauten der Altstadt Jerusalems, betrachtet vom Ölberg aus. Sie formen ein quadratisches Feld, welches vollständig mit Häusern überzogen ist. Hervorgehoben ist der damals noch nicht vergoldete Felsendom rechts, unter einer auf- oder untergehenden roten Sonne über der Stadt. Diese Sonne deckt mit ihren gelbroten Strahlen den blauen Hintergrund ab. Ohne unser vorgeprägtes Sehen könnten es aber auch blaue Strahlen vor goldgelbem Hintergrund sein. Im unteren Teil stehen grüne Bäume oder Büsche, deren einzelne Blätter detailliert herausgearbeitet sind. Dieser Paradiesgarten des Alten Testaments korrespondiert mit dem Himmlischen Jerusalem des Neuen Testaments. Engel sind auf der Glasmalerei nicht zu sehen, aber neben dem Fenster ist eine überlebensgroße Engelsfigur aufgestellt. Ob diese bereits von Krause hier angebracht wurde, ist nicht gesichert. Vielleicht ist dies der Engel, der die Stadt mit dem Maßstab vermisst, oder der Engel, der Christus auf dem Ölberg stärkt.
Im Jahr 1987 wurde das Fenster von einem Förderkreis der historischen Landschaftsbilderbibel restauriert. 2013/14 erfolgte eine wissenschaftliche Dokumentation der Anlage unter dem Theologen Rainer Schwindt von der Universität Koblenz-Landau.
Silvia Maria Busch: Graltempelidee und Industrialisierung, Frankfurt am Main 1984.
Rainer Schwindt (Hrsg.): Die Pfarrer-Kraus-Anlagen zu Arenberg. Kalvarienberg, Bibelgarten und Wallfahrtsanlagen, Mainz 2015.