Harcourt Medhurst Doyle (1913-2001): Fenster der Kathedrale zu Chester (1949)

Auch in England gab es nach den Zerstörungen während des Zweiten Weltkriegs durch Luftangriffe Bedarf an neuen Glasfenstern. Die anglo-normannische Architektur der Kathedrale von Chester (Grafschaft Cheshire) ist gotisch überformt, und aus welcher Zeit die zerstörten Fenster stammten und was sie einst zeigten, ist leider nicht dokumentiert, da man sich bei den Luftangriffen in erster Linie um den Schutz der Menschen, nicht der Sakralbauten, kümmern musste. Sogleich nach dem Ende der Kampfhandlungen wurde der Wieder- bzw. Neubau angegangen. In der Kathedrale von Chester beauftragte man Harcourt Medhurst Doyle (1913-2001), einen Glaskünstler aus Liverpool, der nach dem Krieg viele Glasfenster in England und auch Wales gestaltete. 1949 wurde sein Entwurf umgesetzt: „An dem Fenster arbeiteten zwei meiner Kollegen mit. Wir hatten damals auch zahlreiche andere Aufträge. So führten wir unser eigenes ‚Schichtsystem‘, damit wir konzentriert und ungestört arbeiteten konnten. Das Himmlische Jerusalem lag in meiner alleinigen Verantwortung. Ursprünglich wollten wir das Leben der Stadt deutlicher machen, hatten Engel und die vier Evangelisten vorgesehen. Aus Platzgründen und auch mit dem Architekten, der den Einbau betreute, sind wir davon abgekommen, allein das Lamm mit seiner Siegesfahne ist angedeutet“.
Wie im angloamerikanischen Raum häufig anzutreffen, setzte Doyle das Himmlische Jerusalem als Stadtlandschaft zwischen die oberen Verstrebungen eines Südfensters im westlichen Querschiff der Kathedrale. Dort ist es über mehrere gotische Fischblasen verteilt und zerteilt, so dass sich auch aus Fernsicht nur schwerlich ein zusammenhängendes Bild ergibt. Vielleicht war es aber auch Teil des Konzepts, anzudeuten, dass das Neue Jerusalem letztlich nur erahnt, aber in seiner vollen Schönheit (noch) nicht gesehen werden kann. Was man erkennt, sind goldgelbe Fragmente einer Stadtmauer, dann weißfarbige Hausbauten und einen schlanken Turm. Von diesem Turm geht oben ein Lichtkranz aus, der hier aber nicht weit reicht. So bleibt ganz oben der Abschluss, ein lateinisches Kreuz auf tiefblauem Grund, gut sichtbar. Unter diesem Neuen Jerusalem erscheint unten spiegelbildlich das historische Chester (hier nicht zu sehen) in einem Zustand vor den Kriegszerstörungen. 

George William Outram Addleshaw: Chester Cathedral: the stained glass windows, mosaics, monuments and some of its other treasures, Gloucester 1969.George William Outram Addleshaw: Die Kathedrale zu Chester, London 1979.

 

tags: Kathedrale, England, Nachkriegskunst
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