Adolf Valentin Saile (1905-1994): Fenster aus der Johannes-Täufer-Kirche in Magstadt (1960)

Vom Kirchenschiff der evangelischen Johannes-Täufer-Kirche in Magstadt westlich von Stuttgart aus sieht man im Chorraum zunächst drei große, spitzbogige Maßwerkfenster. Eines dieser Fenster zeigt im oberen Abschluss die zwölf Toren der Gottesstadt. Es wird von der Gemeinde besonders wertgeschätzt, als Osterfenster bezeichnet und taucht den Altarraum in ein warmes rotgelbes Licht. Das mittige Fenster zeigt oben goldgelbe Trapeze, die vorne einen roten Rundbogen mit schmalem weißen Rand besitzen. Bei drei Toren in der Mitte ist das weiße Band allerdings weggelassen worden. Alle Tore sind ansonsten ähnlich gestaltet und eng übereinander gestaffelt; teilweise verdecken sie sich gegenseitig, teilweise sind sie vom Maßwerk überlagert. Die Toransammlung formt ein Oval, das von einem türkisfarbenen Band eingefangen wird, das sich unten überkreuzt. Oben tritt ein singuläres Tor aus diesem Band heraus. Es ist das einzige Tor, welches offen steht, denn von ihm sieht man das Türkis des Bandes in der Füllung. Es korrespondiert mit einem Tor unten, welches etwas größer als die übrigen Tore ist.
Die heutige Verglasung dieser Fenster wurde 1960 von Adolf Valentin Saile (1905-1994) in Stuttgart ausgeführt. Dort hatte Saile eine Glasmalereiwerkstatt, die zu den ersten Adressen gehörte. Hin und wieder hat es sich der Meister nicht nehmen lassen, auch Aufträge selbst auszuführen. Das Neue Jerusalem gehört dabei zu den bevorzugten Themen. Saile zeigte es erstmals zusammen mit zwei weiteren Kollegen in der Stuttgarter Stiftskirche 1953/54. Die Arbeit in Magstadt ist die erste, auf der Saile ganz allein ein vollständiges Neues Jerusalem entworfen und ausgeführt hat.

Die Kirche zählt zu den vielen Bauten, die durch Fliegerangriffe im Zweiten Weltkrieg 1944 ihre frühneuzeitlichen Buntglasfenster fast gänzlich verloren hatte. Zunächst kam es nach 1945 zu einer typischen Notverglasung, die sich auf einem angrenzenden Fenster rechts noch erhalten hat. Links findet sich in einem Fenster eine Darstellung der Verkündigung an die Hirten, die aus der Vorkriegszeit stammt. Nach ungesicherter mündlicher Überlieferung soll diese Glasmalerei aus einer anderen Kirche hier eingebaut worden sein. Ungeachtet, ob dies zutrifft oder nicht, hat sie Saile in seine Konzeption integriert. Auch in anderer Hinsicht ging Saile behutsam vor. Als er für Magstadt tätig wurde, fand er im Chorraum eine kleine Orgel vor. Daher setzte er die bildlichen Motive vor allem seitlich oder weiter nach oben. Als nach Jahren die Orgel durch eine größere ersetzt wurde, wurden große Teile der Malereien leider verdeckt. So kann man von dem Jerusalemsfenster den Christus auf dem Thron, umgeben von den vier apokalyptischen Wesen, nur aus weiter Entfernung oder von der Empore aus sehen.

Ehrenfried Kluckert: Adolf Valentin Saile – ein Glasmaler in Stuttgart, in: Schwäbische Heimat, 33, 1982, S. 43-48.
Dieter Beuter, Walter Steegmüller (Bearb.): 500 Jahre Johannes-Täufer-Kirche Magstadt, Magstadt 2011.
Claus Bernet: Kirchenfenster und Glasarbeiten, Norderstedt 2013 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 6).

 

tags: Nachkriegskunst, Württemberg, Adolf Valentin Saile, Tore
Share:
error: