Georges-Albert Jourdin (gest. 1920): Fenster der Kirche Notre-Dame-des-Grâces in Grand-Lancy (1913)
Grand-Lancy, ein Stadtteil von Lancy, gehört zum Kanton Genf und ist mit der Stadt eng verwachsen. Schon Anfang des 19. Jahrhunderts expandierte die Stadt im Zuge von Industrialisierung und Ubanisierung. Infolge von Spannungen des Kulturkampfs verlor die katholische Pfarrei ihr Gotteshaus. Die provisorische Kapelle Saint-Michel war zu klein und bot den Gläubigen nicht mehr genügend Platz. In diesem Klima institutioneller Instabilität und demografischen Drucks wurde die Frage nach einem neuen Gotteshaus dringlich. Auf Initiative von Pater Joseph Mantilleri sollte eine repräsentative neugotische Kirche für die Zugezogenen erbaut werden, womit man 1912 die Architekten P. Brun und J. Zumthor aus Genf beauftragte. Neben dem Altarraum wurde eine Wallfahrtsgrotte zu Ehren der Jungfrau Maria errichtet, die der Grotte von Masabielle in Lourdes nachempfunden ist, eine Marienwallfahrt setzte ein. Auch der Name der Kirche, Notre-Dame-des-Grâces, bezieht sich auf Maria als Fürbitterin. Im Inneren wurde beim Programm der 1913 hergestellten und eingebauten Buntglasfenster des Genfer Glasmalers Georges-Albert Jourdin (gest. 1920) wiederum auf Maria Bezug genommen, indem man über dem Triforium im Obergarden Rundfenster setzte, auf jeder Seite des Kirchenschiffs acht Stück. Sie sind in den Farben Mariens gehalten, also in blau und rot. Jedes der Rundfenster repräsentiert in einer kunstvollen Rahmung aus geometrischen und floralen Mustern ein Symbol Mariens nach der Lauretanischen Litanei. Die Liebe für das Detail überrascht; Vielerlei kann man selbst mit Adleraugen aus fünfzehn Meter Entfernung nicht erkennen oder lesen. Unter dem Symbol ist ein Schriftband gesetzt, in dem das jeweilige Symbol lateinisch genannt ist.

Über der Taufkapelle ist dies die Porta Coeli, also die Himmelspforte, von überwiegend roten Scheiben umgeben. Die Himmelspforte ist selbst wiederum ein neogotischer Bau, mit dem Auge Gottes über einer noch geschlossenen Tür.


Direkt gegenüber, ebenfalls rot gehalten, findet sich das zweite Symbol in dieser Serie, das das Himmlische Jerusalem repräsentiert. Über einem massiven festungsartigen Sockel, der Stadtmauer, erhebt sich eine Anzahl einzelner Bauten. In der Mitte wächst die Ansammlung an, hier steht ein dreistöckiges Bau, vielleicht mit Seitenflügeln, die, wie auch der Hauptbau, nicht symmetrisch ausgerichtet sind. Das gesamte Symbol wurde aus ausschließlich goldgelben Scheiben zusammen gesetzt.
Die Kirche einschließlich der Fenster wurde 1982 unter Denkmalschutz gestellt. 2002 konnten schließlich, nach vorangegangenen Renovierungen, auch die die Buntglasfenster gereinigt und erneuert werden.
Description de l’église de Notre-Dame des Grâces du Grand-Lancy, Genève 1915.
Armand Brulhart, Erica Deuber-Pauli: ‚Grand-Lancy‘, in Ville et canton de Genève, Genèv 1993. 324.
Jean-Jacques Berta, Guillaume Bondi, u.a.: L’Eglise Notre-Dame des Grâces du Grand-Lancy, Grand-Lancy 2001.
Valérie Sauterel: Les vitraux genevois entre 1830 et 1900, in: Léopold Borel, Claude Lapaire (Hrsg.): Emotion(s) en lumière. Le vitrail à Genève, Genève 2008, S. 52-94.
Pascal Viscardi: Notre-Dame des Grâces, Un repère spirituel et patrimonial au Grand-Lancy, in: Immoscope, 187, 2025.



