Tatiana Ahlers-Hestermann (1919-2000): Fensterbänder St. Georg in Travemünde (1991)

Die St.-Georg-Kirche ist die römisch-katholische Präsenz in Travemünde an der Ostsee. Es ist eine schlichte Hallenkirche des Architekten Paul Jansen, die am 23. Mai 1963 von Bischof Johannes von Rudloff geweiht wurde. Eine Besonderheit des Bauwerks besteht in der Möglichkeit, diese Halle durch eine verschiebbare Glaswand bei Bedarf in eine größere Sommerkirche zusammen zufassen und nach der Badesaison in eine kleine Winterkirche zu unterteilen.
Ursprünglich hatte der Kirchenbau keine Buntglasfenster; die Oberlichter waren mit dem gleichen transparentem Glas ausgestattet wie man es heute noch im unteren Bereich bei der Trennwand vorfinden kann, allerdings zusätzlich mit einem Rastergitter strukturiert. Nach einer Generation kam der Wunsch nach mehr Farbe, mehr Kunst und mehr Behaglichkeit auf. Dafür in Frage kamen vor allem die Oberlichter, die aber wegen ihrer seitlichen Position und Höhe als ungünstig oder zumindest schwierig für ein figürliches Glasbild angesehen wurden. Schließlich entschied Priester Franz Schäfers nach längerer Diskussion, Tatiana Ahlers-Hestermann (1919-2000) diese Ausgestaltung anzuvertrauen: „Eine Ergänzung im Bestand ist eine besondere Herausforderung, zumal in St. Georg die Befürchtung im Raum stand, dass die Kirche zu dunkel werden würde. Glücklicherweise ist dies nicht der Fall. Mit einem speziellen lichtdurchlässigen Glas kommt einerseits genügend Helligkeit in den Raum, andererseits sind die Bilder von außen gut zu erkennen. (…) Das Himmlische Jerusalem wurde hier eher zufällig zum Kreis – gnauso gut hätte sich ein Quadrat in dem rechteckigen Fenster angeboten. Mehrmals wurde aber die Bitte an mich herangetragen, für die Kirche weiche, warme harmonisch Formen und Figuren zu gestalten, ich hoffe, dass ich diesem Anspruch in St. Georg genüge getan habe.“

Tatiana Ahlers-Hestermann war eine Künstlerin auf dem Gebiet der Textilien, der Mosaike und Glaskunst. Ihre ersten Berührungen mit Kunst erhielt sie bereits im Elternhaus; der Vater war Professor an den Kölner Werkschulen. 1944 konvertierte sie von der russisch-orthodoxen Kirche zur römisch-katholischen Kirche und setzte zunehmend ihren Schwerpunkt auf die Sakralkunst, zunächst Antependien, später, in den 1960er Jahren, kamen vermehrt Glasfenster hinzu. Vornehmlich in Hamburger und in norddeutschen Kirchen haben sich ihre Werke erhalten. Ihr Beitrag für St. Georg gehört bereits zu ihrem Spätwerk und ist eines ihrer letzten Werke für eine kirchliche Gesamtverglasung. Hergestellt wurden es von der Glasmanufaktur Schneider aus Glinde. Es steht unter dem Motto „Lobpreis der Schöpfung“, ein vom Kirchenvorstand allgemein gehaltenes Thema, was ermöglichte, eigentlich alles zu zeigen. Die linke Seite, also die der Sommerkirche, führt vom Ausgang (Trennung des Festlandes vom Wasser) bis zum Altar.

Unterbrochen wird die Bildfolge vom Himmlischen Jerusalem, welches eigentlich am Ende stehen müsste. An seiner jetzigen Position befindet sich jedoch die Taufkapelle, und diesen Bezug führt das Fenster fort: Wie der Täufling auf Erden in die Kirche aufgenommen wird, so betritt er nach dem Sterben die Heilsgemeinschaft im Himmlischen Jerusalem. Hier zeigt es sich als liegendes Oval, zusammen mit der roten Mitte erinnert es deutlich an das „Auge Gottes“ und die ständige Präsenz Gottes an diesem Ort. Umzogen ist das Oval von vor- und rückspringenden Blöcken. Sie sind grau, wurden aber hin und wieder mit farbigen Scheiben versehen, die das Edelsteinfundament andeuten. Gleichzeitig handelt es sich um die Mauer der Stadt. Das wird an den vier Seiten deutlich, wo die Blöcke in größere Stadttore übergehen.

Lübeck-Travemünde St. Georg, in: Handbuch des Bistums Osnabrück, Osnabrück 1991, S. 801-802.
Jens Hauswedell, Margot Schmidt: Tatiana Ahlers-Hestermann. Künstlerin in Hamburg, Berlin 2003.
Festschrift zum 50-jährigen Jubiläum der Katholischen Kirche St. Georg, Lübeck-Travemünde 26. Mai 1963 – 26. Mai 2013, Lübeck 2013.

 

tags: Schleswig-Holstein, Fensterband, Auge Gottes
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