
Andreas Felger (geb. 1935): Reliefplatte und Buntglasfenster der Versöhnungskirche in Schorndorf (1990)
Durch das Wirtschaftswachstum und den den Zuzug aus dem Großraum Stuttgart wuchs das südliche Schorndorf in den 1970er und 1980er Jahren rasant an. Die dortige evangelische Kirchengemeinde, die schon mehrfach einen Neubau bezogen hatte, entschloss sich ab 1986 durch Initiative von Pfarrer Konrad Dieterich zu einer weiteren Vergrößerung. Durch die Architekten Fetzer und Nuding wurde ein Gemeindehaus mit integrierter Kirche geschaffen, bzw. eine Kirche mit angeschlossenem Gemeindehaus für fast 4.000 Gemeindemitglieder. 1989 war die Grundsteinlegung. Von Beginn an hat man für den Altarbereich eine Reliefplatte vorgesehen, die auf 1990 datiert ist.
Andreas Felger, der diese 160 x 160 Zentimeter große Platte gestaltet hat, ist ein 1935 geborener Maler, Grafiker und Bildhauer. Überkonfessionelle Spiritualität kennzeichnet sein Werk, das in einer umfassenden, viel beachteten Bibelillustration mündete. Neben dieser Bibel, einem Christus-Pavillon auf der Expo 2000 in Hannover und Sakralgegenständen für die Lukaskirche in Frankfurt am Main gehören die Arbeiten in Schorndorf zu seinem Hauptwerk. Dort hat Felger die Türgriffe, Paramente, das Taufbecken, Buntglasfenster und die Reliefplatte geschaffen. Letztere ist durch ihren prominenten Standort etwas bekannter, in vielen Videoaufnahmen von Gottesdiensten der Gemeinde ist sie zu finden. Der Kunstwissenschaftler Marvin Altner widmete der Platte 2020 eine Würdigung im Rahmen der Serie „Werk des Quartals“ der Andreas-Felger-Kulturstiftung; für die Gemeinde ist es eine Art Logo geworden, am Ostermontag 2021 besprach der Pfarrer Thomas Fuchsloch das Kunstwerk im Rahmen einer Predigt.
Die 160 x 160 Zentimeter große Platte ist aus Lindenholz geschnitzt und wurde anschließend mit Ölfarben koloriert. An verschiedenen Stellen spielt die Zahl Sieben eine hervorgehobene Rolle. Das Lamm besitzt sieben Augen. Dies wird in der Johannesoffenbarung in Kapitel 5, Vers 6 beschrieben, künstlerisch aber selten aufgegriffen. Eingebunden ist das Lamm in ein gewaltiges Kreuz, das die Platte in vier Teile trennt, die alle einen goldenen Hintergrund haben, der ebenso an eine Gloriole oder Sonne wie auch an das Gold der himmlischen Stadt erinnert. In die obere rechte Ecke sind sieben farbige Edelsteine als das Fundament der Stadt gesetzt. Jenseits der Tradition setzte Felger sieben kleine Wappen oder Medaillons unter das Lamm, die alle einem Motiv der Apokalypse gewidmet sind.
Nicht alle Motive oder Zeichen lassen sich erklären. Von links nach rechts sieht man die
1. Trompete oder Posaune des Gerichts,
2. einen Stern mit dem Mond,
3. ein weiß-goldener Kelch, Bedeutung unklar,
4. ein Komma, Bedeutung unklar,
5. ein graues Dreieck?? Oder eine Uhr?
6. das Schwert des Richters,
7. ein goldenes W, Symbol der Waage des Gerichts.
Besonderen Wert hat Andreas Felger dem Lebensfluss bzw. dem Lebenswasser beigemessen. Es strömt aus der Wundes des Lammes und fließt nach links. Dort mündet es in einen Kelch und umfließt eine goldene Oblate (die den goldenen Kreis um das Lamm aufnimmt): Beides sind Hinweise auf das Abendmahl. Das Motiv des Lebensflusses ist auch an den beiden Seitenfenstern (80 x 750 Zentimeter) aufgenommen. Sie wurden ebenfalls 1990 von Felger gestaltet und bilden mit der Reliefplatte eine inhaltliche Einheit. Auf beiden Fenstern sieht man die Wogen und Wellen des Lebensflusses, links zusammen mit dem Baum des Lebens und seinen zwölf Früchten, rechts mit Toren der Gottesstadt. Ein Engel oder Gott nimmt hier einen Ankommenden in Empfang, denn hier ist der Ort, wo Gott alle Tränen abwischt (Johannesoffenbarung Kapitel 21, Vers 4).
Gemeindezentrum Versöhnungskirche: Einweihung am 11. November 1990, Schorndorf 1990.
Andreas Felger Kulturstiftung (Hrsg.): Andreas Felger: Kunst.Stationen. 100 Werke an 20 Orten in Baden-Württemberg, o.O. 2016.