Theodor Prüfer (1845-1901): Jerusalemsleuchter aus St. Johannes in Lychen (um 1890)

Nicht nur in der Romanik, sondern auch in den Jahren um 1890 waren runde Jerusalemsleuchter populär, jetzt als Schmuck- und Funktionsgegenstand der Neoromanik und Neogotik. Vor allem in Preußen musste es sie damals massenweise gegeben haben – erhalten haben sich nur wenige Exemplare, meist in Kirchen in eher ländlichen Regionen. Fast alle diese Leuchter wurden zeitweise abgehangen und haben ihre besondere Überlebensgeschichte. So ist es auch der Fall in der evangelischen Kirche von Lychen in der Uckermark (Brandenburg). Der mittelalterliche Backsteinbau St. Johannes bekam um 1890 „seinen“ Radleuchter:

Er besteht aus einem runden Innenreif, an dessen Außenseite die Schmuckelemente befestigt sind. In erster Linie sind dies zwölf Metallbänder, die leicht ausbuchten. An den Enden der gewölbten Platten ist jeweils ein Rundturm gesetzt, also insgesamt wiederum zwölf. Sie alle sind mit einem lateinischen Kreuz bekrönt. Zwischen den Türmen ist in der Mitte der Bänder jeweils ein Tor gesetzt, eine Kombination aus Biforienfenster und Treppengiebel. Geschmückt sind die Tore mit jeweils einem roten oder blauen Glasstein in Anlehnung an die Edelsteine der Stadt.

Da diese Tore offen stehen und sich dahinter die eigentliche Beleuchtung befindet, dringt ein Teil des Lichtes durch diese Öffnung nach außen – ein besonders beeindruckender Effekt, der natürlich daran erinnert, dass göttliches Licht durch die Tore in die Welt dringt.
Der Leuchter ist eine Schöpfung des Architekten und Designers Theodor Prüfer (1845-1901). Der Sohn eines evangelischen Pfarrers hatte sich frühzeitig auf Sakralkunst spezialisiert und führte in Berlin sein „Atelier für Kirchenbau und Kircheneinrichtungen“ (auch „Atelier für Kirchliche Kunst“), wo solche Leuchter in den Verkaufsprospekten zu finden waren. Prüfer war aber auch an der Umgestaltung ganzer Kirchen beteiligt, in der Uckermark etwa in Steinhöfel oder in Casekow. Wie viele seiner Arbeiten ist auch der Leuchter an der Innenseite signiert.


Gleichzeitig mit dem Radleuchter im Altarbereich wurden drei Bronzeleuchter angeschafft, die vor allem das Kirchenschiff zur Gemeinde hin erhellen sollten. Die gesamte neue Beleuchtung war damals eine Stifung der Innungsmeister verschiedener Handwerksbetriebe aus Lychen. Zwei der Bronzeleuchter wurden 1974 bei einem Einbruch gestohlen, vermutlich wurden sie eingeschmolzen. Der Radleuchter entging diesem Schicksal, denn er befand sich zu diesem Zeitpunkt nicht in der Kirche: Er war seit einer Innenrenovierung (1960 bis 1964) in Densow ausgelagert. Außer Funktion gestellt verfiel das Kunstwerk über die Jahre. Erst 1989 wurde der Leuchter fachgerecht restauriert und fand 2014 seinen Weg zurück an seinen ursprünglichen Ort.

Ernst Carstedt: Schule und Kirche in Lychen von 1593 bis 1868, in: Jahrbuch für Berlin-brandenburgische Kirchengeschichte, 1973, S. 181-185.
Prüfer, Theodor, in: Jana Olschewski: Der evangelische Kirchenbau im preußischen Regierungsbezirk Stralsund 1815 bis 1932, Schwerin 2006, S. 388-389
Stadtkirche Sankt Johannes zu Lychen (Faltblatt), Lychen 2019.

 

tags: Brandenburg, Jerusalemsleuchter, Neogotik, Eisen, Historismus
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