Ernst Steiners (1935-2024) Auseinandersetzung mit dem Himmlischen Jerusalem mündete, nach einer ersten Malerei 1974, in einen Gobelin, an dem Verena Kaufman von 1979 bis 1980 gewebt hatte. Die Arbeit „Himmlisches Jerusalem“ hat eine Größe von 150 x 150 Zentimeter und wurde in Österreich auch als Postkarte und sogar als Sondermarke der Österreichischen Post vertrieben. Dementsprechend bekannter ist diese Darstellung geworden, auch bei Personen, die nicht direkt mit Kunst oder Religion zu tun hatten, sondern lediglich einen Brief oder ein Paket mit der entsprechenden Briefmarke bekamen.
Zwischen 2012 und 2022 habe ich Briefe mit kurzen Informationen bis längeren Ausführungen von Steiner zu seinen Arbeiten erhalten, manchmal auf Nachfrage, manchmal ungefragt. Es war Steiner außerordentlich wichtig, dass seine Werke in der Entstehungsgeschichte und Technik korrekt beschrieben werden. Bei der Interpretation hielt er sich hingegen zurück, meinte „aus den Tiefen der Seele hat sich eine Tausende Jahre abgelagerte Stadtvision gebildet, von der Johannes nur sein eigenes Jerusalem sehen konnte. (…). Im Prinzip gibt es so viele Sichtweise meines Bildes, wie es Betrachter gibt. Mein Himmlisches Jerusalem ist somit lediglich ein Instrument, auf denen ganz unterschiedliche Melodien entstehen können.“ Steiner stellt dementsprechend nicht die Stadt an sich vor, sondern eine offene Jerusalemslandschaft. Die Stadt ist von einem Wasser- und Lebenskreis umschlossen, an dem große Bäume und kleinere Pflanzen wachsen. Im blaugrauen Wasser sind unterschiedliche Fische zu entdecken, und auch die zwölf Perlen sind unregelmäßig in das Flussbett gesetzt. Ein zweites Mal finden sich die Perlen regelmäßig gereiht vor den Zugängen in die Stadt. Auch diese ist von einem Bassin umgeben, in dem weitere Fische leben. Von vier Armen strömt das Wasser aus einem inneren Kreis, der mit einer Kombination von Dreiecken – einer Mischung aus Trinitätssymbol und Davidstern – besetzt ist. Das Innere ist hier auf geometrische Figuren beschränkt, auf die Darstellung von Bauten wurde, wie noch auf der älteren Malerei, verzichtet.
Angela Völker: Ernst Steiner, in: Alte und moderne Kunst, 186/187, 28, 1983, S. 49.
Retrospektive Ernst Steiner, die Entstehung einer Briefmarke. Unteres Belvedere, Wien, 11. Oktober bis 12. November 1989, Wien 1989.
Otto Betz: Himmlisches Jerusalem, in: In geheimnisvoller Ordnung, München 1992, S. 104-105.
Ernst Steiner: Jenseits des Tages. Träume eines Malers, Wien 2007.