Der Glasmaler Franz Heilmann (1921-1981) aus Borghorst hatte 1964 die Verglasung von St. Marien in Bad Lippspringe übernommen, schon Monate darauf folgte der Auftrag für einen weiteren römisch-katholischen Kirchenneubau: St. Norbert als Viereckbau mit sechseckigem Zeltdach in Lünen, am Rande des nördöstlichen Ruhrgebiets. Hier arbeitete Heilmann mit der Glasmanufaktur Wilhelm Derix in Düsseldorf zusammen.

Die Gestaltung war kompliziert, denn die schweren Fensterbahnen mussten vor Ort in der frühen Bauphase 1965/66 zusammengesetzt werden; jede Scheibe musste mit der Hand in die passende Form gebracht werden, um die markante und tief liegende Oberflächenstruktur in Beton herzustellen. Dabei wurde der Künstler von Gisela Heilmann, einer ausgebildeten Malerin und Mosaizistin, unterstützt, die er 1965 heiratete. Beide führten seitdem alle größeren Aufträge gemeinsam aus. Hier musste sich das Künstlerpaar eng mit den Architekten Hans Ostermann und Fritz Bette abstimmen, die eigens für diesen Neubau eine temporäre Werksgemeinschaft gebildet hatten. Als 1967 die Kirche eingeweiht werden konnte, standen die Fenster bereit zwei Jahre im Rohbau.

Für solche Neugründungen von Gemeinden, die sich keinen Meister der ersten Reihe, wie einen Hans Lünenborg, Joachim Klos oder Klaus Arnold leisten konnten, waren handwerklich orientierte Glasmaler wie Heilmann ein Segen: Seine Arbeiten waren solide ausgeführt, die Konzeption war nicht vom Einzelfenster her gedacht, sondern der Ausdruck des gesamten Raumes stand im Mittelpunkt.
Heilmann bediente sich hier einer überwiegend abstrakten Formensprache aus –wie man in der Festschrift zu der Kirche lesen kann – „bizarren Glasbausteinen“. Glücklicherweise hatte die Gemeinde auch eine Beschreibung des Künstlers in eigenen Worten, aus denen hervorgeht, dass hier tatsächlich das Himmlische Jerusalem thematisiert war, und nicht etwa das „Zelt Gottes unter den Menschen“ oder anderes. Der Künstler erklärt: „Im Thema und in der strukturellen Gestaltung sind die Fenster besonders auf den liturgischen Raum und die Architektur bezogen. Auf der linken Seite ‚Zug durch das Rote Meer‘, auf der rechten Seite ‚Kirche auf dem Wege‘ und das hintere Portalfenster, ‚Himmlisches Jerusalem‘.“

Diese westliche Fensterseite konnte der Besucher bereits von außen sehen, wenn die Kirche innen beleuchtet war. War es aber tagsüber ausreichend hell, dann waren die Motive nur innen zu sehen, wenn der Besucher die Kirche verließ, quasi als Hoffnung oder auch als Mahnung.
Goldgelbe Scheiben setzten sich vor blauen Scheiben zu zwei Verdichtungen zusammen: Oben, in der goldgelben Spitze des Dreiecks, konnte man ein Objekt erahnen, vielleicht ein Lamm oder eine Sonne. Weiter unten zeichneten sich die Bauten und Mauern einer Stadt ab, die sich horizontal um die zwei vorgelagerten Eingangstüren zogen. Über die Glaswand hinweg hatte der Künstler immer wieder Glasbrocken unregelmäßig verteilt, auf dieser Wand etwa ein halbes Dutzend. Sie kragen bis zu 15 Zentimeter in den Raum hinein und sind im unteren Bereich für Besucher der Kirche auch ein haptisches Erlebnis gewesen. In der erwähnten Dreiecksspitze ist ein ganz besonders großer Glasbrocken eingefügt worden, der sogar von der anderen Seite, vom Altar aus, deutlich erkannt werden kann.

Einst als Großkirche mit über 600 Plätzen, einem Kindergarten und Gemeindezentrum errichtet war bereits nach nur einer Generation das Ende von St. Norbert abzusehen. 2023 wurde beschlossen, dass die Pfarrei St. Marien in Lünen gleich zwei ihrer einst vier Gotteshäuser aufgeben muss oder wollte. Eines davon war St. Norbert, welches inzwischen profaniert ist und zum Verkauf, Umbau oder auch Abriss ansteht.
Die Kirchengemeinde St. Norbert. Zur Geschichte und Gegenwart 1967-1992. Festschrift zum 25jährigen Weihejubiläum der St.-Norbert-Kirche Lünen, am 8. Oktober 1992, Lünen 1992.
Lünen (Nordlünen) St. Norbert, in: Das Bistum Münster, 3, Münster 1993, S. 465-465.
Ateliergespräch mit dem Architekten Michael van Ooyen, Erbauer des Pfarrheims St. Norbert, Lünen 2007.
Monika Meyer, Bernhard Bülskämper: St. Norbert in Lünen, tritt ein und bleib…, Lünen 2007.



