St. Anne’s ist die anglikanische Kathedrale der nordirischen Hautstadt von Belfast, ihr irischer Name lautet Ardeaglais San Anna. Es handelt sich um einen neoromanischen Bau aus den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts. Im Jahr 1941 wurde die Kathedrale fast vollständig durch eine deutsche (oder österreichische) Bombe zerstört, die erhebliche Schäden verursachte. So sind fast alle Buntglasfenster der Erstausstattung verloren gegangen. Beim Wiederaufbau konzentrierte man sich zunächst auf die die Apsis am Ende des Langhauses.

Dort wurden drei Oberlichtfenster durch Spenden von Sir Robert Herdman zum Gedenken an seine verstorbene Frau Lucy Herdman ermöglicht, die bis heute als „Herdman-Fenster“ bezeichnet werden. Es sind überwiegend abstrakte Arbeiten des Künstlers Edward Murray Marr (1905-1973), welcher am Belfast College of Art (heute Teil der Universität von Ulster) studiert hatte und später selbst dort als Kunstlehrer unterrichtete. In seinem eigenen Schaffen hat er sich von einem historistischen Stil seiner Frühwerke bis zu fast gänzlich abstrakten Glasarbeiten entwickelt und eine beachtliche stilistische Modernisierung vollzogen, vielleicht auch, weil er stets mit jungen Talenten arbeitete. Bei seinen Arbeiten für die Belfaster Kathedrale ließ er sich von den abstrakten Entwürfen John Pipers und Patrick Reyntiens für die Kathedrale von Coventry inspirieren. Sie gehen in ersten Skizzen und Planungen bis Ende der 1960er Jahre zurück, doch es kam immer wieder zu Verzögerungen aufgrund einer Erkrankung des Künstlers und aufgrund von Finanzierungsschwierigkeiten. Erst 1976, Marr war inzwischen verstorben, konnte der Einbau mit dem dritten Fenster abgeschlossen werden.
Das linke Fenster zeigt die Schöpfung und den Garten Eden. Das zweite, mittlere Fenster symbolisiert die Trinität mittels einer Sonne (Gott), einer Taube (Heiliger Geist) und der Dornenkrone (Christus). Das rechte Fenster zeigt unten Symbole des Abendmahls (Weintrauben und Ähren), oben das Neue Jerusalem als Ort des ewigen, immerwährenden Abendmahls.
Schräge horizontale wie vertikale Linien durchkreuzen alle drei Buntglasfenster. Bei dem dritten könnte man oben den Eindruck gewinnen, dass gelbe Lichtstrahlen durch Fenster und Türen nach außen dringen, ein Eindruck von Bewegung und Dynamik wird erzeugt. Die Architekturelemente der Stadt sind links überwiegend in einem kräftigen Rot gehalten, während sich rechts zwei Bauteile eher aus grünen und blauen Scheiben zusammensetzen. Diese Teile erinnern, zumindest aus der Nahsicht, an einen Kirchturm mit niedrigerem Hauptschiff. Befindet man sich selbst im Schiff der Kathedrale verschwinden die figürlichen Elemente vollständig zugunsten einer Lichtsymphonie kräftiger Primärfarben, die sich hervorragend von dem hellen Sandstein des Apsistambour abheben.
Short guide to Belfast cathedral St. Anne’s, Belfast, um 1980.


