Gottfried Zawadzki (1922-2016): Buntglasfenster aus der Liebfrauenkirche in Bautzen (1971-1978)
Der Sakralkünstler Gottfried Zawadzki (1922-2016) war einer der führenden Künstler der DDR und später auch der BRD; 1987 wurde ihm die Barlachmedaille und 1993 der Oberlausitzer Kunstpreis verliehen, 2003 wurde er mit dem Verdienstkreuz der BRD 1. Klasse geehrt. Zu verdanken hatte er dies auch dem Glück, dass seine Werken über öffentliche Einrichtungen einem breiteren Publikum bekannt wurden; er hat in der DDR, aber auch Polen und anderen osteuropäischen Länder für überwiegend, aber nicht ausschließlich römisch-katholische Kirchen, Kapellen und kirchliche Einrichtungen knapp fünfhundert Fester gestaltet. Immer wieder werden für sein Schaffen diejenigen der Liebfrauenkirche in Bautzen (Oberlausitz, Sachsen) angeführt. Es ist verbürgt, dass er diese Fenster als die gelungensten seiner Arbeiten ansah; sie wurden zur Grundlage späterer Werke wie in Senftenberg (1977) oder in Langebrück (1984). Für Bautzen wählte er für den Chorbereich das Neue Jerusalem als Thema.
Die Liebfrauenkirche reicht zwar tief in das Mittelalter zurück, doch der heutige Chorbereich entstand erst bei einer Erweiterung im späten 19. Jahrhundert. Im April 1944 verlor die Kirche ihre historistischen Buntglasfenster und musste einige Jahre mit einer Notverglasung auskommen. Erst Ende der 1960er Jahre ergaben sich Möglichkeiten, wieder eine hochwertige Verglasung zu bekommen. Der Kontakt zum Künstler bestand bereits vor der Auftragsvergabe: Dieser lebte und arbeitete in Kamenz, es gab zu Bautzen geschäftliche und familiäre Beziehungen. Seine Arbeiten für die Liebfrauenkirche zogen sich dann von 1971 bis 1978 hin.
Grundton der Chorfenster ist ein blau-violetter Färbung, die dem Chor eine vornehme Kühle verleiht.

Bewusst versteckt, da es sich, so Zawadzki, um ein zukünftiges, visionäres Geschehen handelt, sind die Tore der Stadt eingesetzt. Es sind breite, offen stehende Rundbögen, die der Künstler übereinander gesetzt und leicht gegeneinander verschoben hat.

Drei Tore befinden sich in dem linken, drei in dem rechten und die übrigen sechs in dem mittleren Fenster. In diesem mittigen Fenster findet sich unten eine Reihe von drei Toren, deren äußerer Träger jeweils in das nachbarliche Fenster reicht – so gelingt es Zawadzki geschickt, die drei separaten Fensterbahnen doch noch zu vereinen. Heute steht vor dem mittleren Fenster das steinerne Altarkreuz vom Anfang des 17. Jh. mit der Folge, dass gerade vom tiefer gelegenen Schiff aus ein Teil der Tore verdeckt ist. Die dahinter stehende Aussage ist, dass man nur durch Christus in die Stadt gelangen kann. Dadurch, dass die weißen Tore sich stets im unteren Drittel der Fenster befinden, erscheint dieser Bereich heller als der obige Bereich mit der dunkleren blauen Verglasung. Im oberen Bereich des mittleren Fensters ist ein Kreis von gelb-roten Scheiben vorzufinden, dessen Schwingen auf die Seitenfenster übergreifen sollten – ein Gedanke, der im Entwurf stärker hervortritt und durch die Schrägstellung der Fenster nicht voll zur Geltung kommt.

Siegfried Seifert: Aus der Geschichte der Liebfrauenkirche in Bautzen, in: Die Oberlausitz und ihre Nachbargebiete : Beiträge zur Erforschung der Geschichte und Natur, 1, 1991, S. 9-29.
Gottfried Zawadzki: Malerei, Grafik, Kirchenraum, Glasbild, (Dresden), Bautzen 1993.
Christine Seele, Siegfried Seifert: Bautzen und seine Kirchen, Leipzig 1996.
Gottfried Zawadzki: Lebensspiegel. Episoden, Bautzen 2005.



