In der DDR gab es einige wenige Kirchenneubauten oder Umbauten, die gegen erhebliche staatliche Widerstände und mit Kompromissen schließlich doch umgesetzt werden konnten. Nicht selten wurde die Stadt des Himmlischen Jerusalem als Bildmotiv gewählt – zu Zeiten der Materialknappheit und des Behelfsbaus erschien die goldene Idealstadt besonders erstrebenswert. In Großenhain (Landkreis Meißen, Sachsen) gab es schon seit 1907 in einer Villa eine kleine römisch-katholische Hauskapelle und seit 1923 eine Pfarrkirche, die um 1965 erweitert werden sollte. Anlass waren damals die Umsetzungen baulicher Vorgaben nach dem II. Vatikanischen Konzil – fast die gesamte historische Inneneinrichtung ging verloren und wurde von 1964 bis 1967 durch neue liturgische Werke ersetzt. Mit diesen beauftragte man Artur Becker aus Leipzig, der auch die Glasfenster entworfen hat.

War man bei der Innengestaltung frei, so bestand der Kompromiss für das Äußere des Erweiterungsbaus darin, dass er von der Straßenseite nicht als Kirchenbau erkannt werden durfte. Die Glaswand mit dem Neuen Jerusalem findet man daher rückwärtig zur Gartenseite, wo sich auch der Altar befindet. Nur nach Betreten des Gebäudes erschließt sich dessen überraschende Größe, denn die ehemaligen Wohnungen im Erdgeschoss waren aufgegeben und durch einen Saal ersetzt worden.

Die sieben Fensterbahnen der Südseite bestehen in zwei bis drei Zentimeter dicken Glasstücken, ummantelt von Zementmörtel und Porphyr. Sie waren für die Glaskunst eine Herausforderung, da wegen der ungewöhnlich breiten Träger sich nur schwer ein einheitliches Bild komponieren ließ: eine erste Fassung, in jedem der Fenster ein Werk der Barmherzigkeit zu präsentieren, wurde nicht weiter verfolgt. Heute zeigen sich zwischen verschobenen Bahnen und expressiven Zacken zwölf Tore der Stadt.

Ihre Ummantelung ist goldfarben, an der Öffnung ist blaues und rotes Glas zu finden, auf dem jeweils eine weiß-silberne Perle ruht. Die Tore stehen oder schweben frei im Raum und sind nicht durch Mauern verbunden. Die vierte mittlere Bahn zeigt das Lamm Gottes mit der Siegesfahne, dem Georgskreuz, hier jedoch farblich umgekehrt: ein weißes Kreuz auf rotem Hintergrund. Über das Lamm ist ein rot-blaues Dreieck als Zeichen für die Trinität gesetzt, in das eine kleine Taube eingearbeitet wurde. Ebenfalls rot ist eine weitere Fläche unter dem Lamm: Es ist die Völkerwallfahrt in die Stadt, die hier gezeigt wird.



