Wolf-Dieter Kohler (1928-1985): evangelische Martinskirche in Rötenbach (1966)
Die Martinskirche in Rötenbach (Schwarzwald) wurde 1966 mit Glasfenstern durch Wolf-Dieter Kohler (1928-1985) ausgestattet. Bei meinem Besuch der Kirche hingen im Vorraum etwa zehn Seiten Text aus mit Informationen zur Geschichte und Kunst der Fenster, auf die ich mich im Folgenden beziehe, zumal zu dem Bau weder Fachliteratur noch ein Kirchenführer existiert.
Die Gemeinde hat das Glück, dass das kleine Kirchlein in den 1960er Jahren nicht durch einen überdimensionierten Neubau ersetzt oder durch einen Anbau übermäßig vergrößert wurde. Man praktizierte einmal dass, was man den Schwaben nachsagt: Bescheidenheit und Sparsamkeit. Allerdings kam es auch hier 1966 zu erheblichen baulichen Veränderungen. Man muss jedoch aus Gründen der Gerechtigkeit erwähnen, dass solche Veränderungen von Stuttgart aus betrieben wurden und oftmals gegen die Willen vor Ort durchgeführt wurden. Schon damals setzte durch solche und andere Maßnahmen eine Entfremdung von der Kirche ein, da die Gemeindemitglieder feststellen mussten, dass sie zwar vieles bezahlen durften, aber an nichts mitbestimmen sollten. Ähnlich war es auch in Rötenbach: Im Januar 1965 erreichte ein Schreiben des Stuttgarter Oberkirchenrats den örtlichen Pfarrer und ordnete an, dass sich die die Dorfkirche einer Generalsanierung zu unterziehen habe. Vielfalt und vor allem über Jahrhunderte Gewachsenes war nicht länger erwünscht, alles sollte jetzt einheitlich gestaltet erscheinen. Wie bei vielen anderen Kirchen auch war es dieser Oberkirchrat, der dafür sorgte, dass der historische Taufstein, Altar, Kanzeln und Bänke auf dem Müll landeten. Dass dabei alles nochmals zu bezahlen war, monierte damals niemand, denn die Kirchen schwammen damals gewissermaßen in Geld. In Rötenbach gab es lediglich ein einiges Gemeinderatsmitglied, dass sich dafür aussprach, den „ehrwürdigen und noch nutzbaren Altar doch auch folgender Generation zu überlassen“ – er wurde überstimmt. Für die Fenster empfahl der Oberkirchrat den Stuttgarter Künstler Wolf-Dieter Kohler und die Firma Valentin Saile. Kohler reiste eigens dazu an und brachte fertige Entwürfe mit. Widerstand oder Einsprüche gab es da nicht: Kohler war ein anerkannter Meister, der regelmäßig über seine Werke diskutierte – im Gemeindevorstand waren hauptsächlich Handwerker, Händler und Lehrer, die sich bislang noch nicht mit Kunstfragen beschäftigt hatten.
An die linke Seite kam nun der neue Taufstein, hier schlug Kohler ein Tauffenster vor. Unten ist auf dem Fenster die Arche Noah eingefügt, traditionell ein Vorläufer des Himmlischen Jerusalem, was Kohler bereits ähnlich in Effringen und Degenfeld einbrachte. Darüber ist eine Taufszene gesetzt: Rechts der Pfarrer, damals noch im schwarzen Talar, links die Mutter, im damals modischen Minirock (gegen den übrigens einige Pastoren wetterten, offensichtlich aber nicht in Rötenbach). Über den Personen öffnet sich der Himmel, Strahlen brechen hernieder, eine Taube fliegt hervor und das Pfingstfeuer regnet auf die Anwesenden hernieder.
Das alles kommt aus dem Himmlischen Jerusalem, dessen zwölf Tore offen stehen. Es ist eine typische Kohler-Darstellung, die er bereits mehrfach woanders so oder ähnlich anbrachte: Blockartige Tore, mit der Hand eingezeichnete Mauersteine, rote oder blaue Füllungen. Mittig steht das Lamm Gottes. Kohler sieht in seiner Wunde den Ursprung des Lebensflusses, der zusätzlich nach unten auf die versammelte Taufgemeinschaft einströmt. Ungewöhnlich und für Kohler neu ist das rasterartige Schmuckband zu Seiten dieses Fensters. Es dient nicht allein dazu, den Raum heller zu machen, sondern ein Rahmen ist immer auch eine deutliche Grenze von Umgebung zu Bild: hier ist nicht Wirklichkeit dargestellt, sondern ein Bild von etwas.