Wolf-Dieter Kohler (1928-1985): evangelische Martinskirche von Enzweihingen (1963)
Enzweihingen gehört heute zur Kreisstadt Vaihingen an der Enz in Württemberg. Die gotischen Fenster der dortigen Dorfkirche überlebten einen Stadtbrand im 17. Jahrhundert und zwei Weltkriege, allerdings nicht die Ablehnung der Nachkriegsgeneration auf alles Überkommene – eine einmalige Geisteshaltung, die man nur in Deutschland antrifft. Daher wurden unter Wolf-Dieter Kohler die gotischen Buntglasfenster ausgebaut und durch eine komplette Neuverglasung ersetzt, die sich in Farbwahl und den Motiven radikal von dem vorherigen Bestand unterschied – alles sollte anderes, besser sein, denn letztlich war auch die Gotik nichts weiter als ein Vorläufer des Nationalsozialismus. Im Falle von Enzweihingen gab es auch Bestrebungen, das gotische Maßwerk auszubauen und durch moderne Fensterbänder zu ersetzen. Kohler, der diesen Überlegungen offen gegenüber stand, sicherte zu, dass seine Motive dadurch nur gewinnen würden: „Die Entwürfe zielen auf Einheitlichkeit, die nach einer Aufhebung der unnatürlichen Separierung der Bahnen besser verständlich werden. Die Motive sind sorgfältig ausgewählt, dem Betrachter eine Geschichte zu erzählen, die mir jetzt noch etwas getrennt erscheinen (…). Eine Herausnahme des Maßwerks verhindert nicht nur den Schattenwurf, sondern die Räumlichkeiten würden merklich heller“. Glücklicherweise wurde aus Kostengründen davon Abstand genommen, und die heutige Lösung wirkt in keinster Weise schattig oder dunkel.
Die Arbeiten zogen sich von 1951 bis 1963, als zuletzt die drei Chorfenster durch die Firma Valentin Saile aus Stuttgart eingesetzt wurden. Das Himmlische Jerusalem wird durch zwölf Tore dargestellt, die, wie meist bei Kohler, als Blöcke geformt sind. Bis auf zwei Tore finden sie sich alle in den Fischblasen des rechten Chorfensters. Zwischen die Tore hat der Künstler plastische Formationen in blauer oder roter Farbe eingefügt, die an die Edelsteine erinnern. Die Tore wie auch Teile der darunter befindlichen Motive, die untergehende Welt und der thronende Christus als Richter, sind jedoch aus den meisten Positionen der Kirche gar nicht oder nur schlecht zu erkennen, da ihnen die Orgel vorgestellt wurde. Ursprünglich befand sich diese auf einer Orgelempore, die man jedoch bei der Purifizierung schon Anfang der 1950er Jahre herausriss. Die neue Orgel (fertiggestellt 1974) ist eigentlich ein Affront gegen die Glasmalereien, über die ja oft gesagt wird, dass man sie wie biblische Geschichten lesen könnte. Offensichtlich haben sich bei der Renovierung die einzelnen Gewerke nicht abgesprochen, denn so hätte man sich die Kosten für die Malereien eigentlich sparen können. Enzweihingen steht jedoch nicht allein, auch in Oberboihingen und in xy verdeckt die Orgel gerade das, was den Besuchern Hoffnung geben soll.
So, wie man die Tore auf der Aufnahme oben sehen kann, wurde nur möglich durch nachträgliche Bearbeitung – die Situation vor Ort ist noch ungünstiger. Eine bessere Aufnahme wäre durch Einsatz einer Drohne möglich gewesen, doch davon musste aus versicherungsrechtlichen Bedenken Abstand genommen werden.
Gudrun Aker, Walter Grieb: Evangelische Martinskirche Enzweihigen, o.O., um 1990.
Christa Birkenmaier (Hrsg.): Wolf-Dieter Kohler, 1928-1985. Leben und Werk, Petersberg 2021.