Wolf-Dieter Kohler (1928-1985): Stadtkirche Bad Cannstadt (1963)

Die Edelsteine, wie übrigens auch die Perlen, spielten bislang in den Darstellungen des Himmlischen Jerusalems durch Wolf-Dieter Kohler (1928-1985) kaum ein Rolle; unter den vielen Werken finden sie sich lediglich einmal in der Brenzer Galluskirche 1966 und in der Stadtkirche von Bad Cannstatt. In dieser repräsentieren sie dann sogar die Gestalt der Stadt, von der Mauern, Tore oder weitere Bauten lediglich mit den gelben Scheiben um die Edelsteine angedeutet wurden. Es sind kristalline Gebilde mit scharfen Kanten. Kohler zeigt drei grüne, vier rote, drei blaue und zwei gelbe Steine. Sie bilden annähernd ein Quadrat, welches um 90 Grad gedreht ist. Nach unten buchtet das Quadrat etwas aus, so dass der Betrachter den Eindruck hat, es würde sich auf ihn zu bewegen. Die eine Hälfte der Steine ist in die vier Fensterbahnen gesetzt, die andere wurde über das Maßwerk hinweg verteilt. Durch die Drehung war es möglich, dass zwei Steine in den oberen Dreipass gesetzt sind. Diese oberen Steine sind um die Hälfte kleiner als die unteren, was den Eindruck verstärkt, die Stadt würde sich nach unten senken (bei einer statischen gleichmäßigen Erscheinung müssten die oberen Steine größer sein, damit von der Perspektive aus dem Schiff ein solches Bild entsteht).
Was hat Kohler nun in der Mitte der Stadt dargestellt? Man erkennt vor blauem Hintergrund zahlreiche rote Blöcke, die eine gitterartige Struktur ergeben. In einer Broschüre der Gemeinde zu den Fenstern soll dies der Lebensbaum sein. Ich halte es eher für die göttliche Präsenz, den Geist Gottes, der hier angedeutet ist. Die exakte Mitte ist ohnehin nicht zu erkennen, da sich dort das vertikale Maßwerk mit einer horizontalen Bleirute kreuzt.

In der Stadtkirche von Bad Cannstadt gestaltete Kohler zusammen mit der Glasmanufaktur Valentin Saile aus Stuttgart drei Fenster im Ostchor, die zu Pfingsten 1963 eingeweiht wurden. Damit war die Neugestaltung der Kirche nach drei Jahren abgeschlossen. Die Fenster erzählen keine Geschichte(n), sondern zeigen Momente göttlichen Handelns. Das mittlere Fenster zeigt das Ende der Welt und den Neubeginn. Unten ist die zerfallende Welt dargestellt, in der Mitte Christus als Richter auf dem Thron, von den vierundzwanzig Ältesten umgeben, und darüber das hier beschriebene Himmlische Jerusalem.

Regine Schneider: Die spätgotische Stadtkirche zu Bad Cannstatt, Stuttgart 1991.
Wilhelm Deuschle: Die Fenster der Cannstatter Stadtkirche, Stuttgart, um 2010.
Eckart Schultz-Berg: Die Evangelische Stadtkirche Bad Cannstatt, in: Stuttgart, Leipzig 2015, S. 78-79.
Christa Birkenmaier (Hrsg.): Wolf-Dieter Kohler, 1928-1985. Leben und Werk, Petersberg 2021.

 

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