Wolf-Dieter Kohler (1928-1985): Schöllkopfkapelle in Kirchheim unter Teck (1954)
1954 sollte das zentrale Altarfenster der Kapelle am alten Friedhof (Schöllkopfkapelle) von Kirchheim unter Teck neu gestaltet werden. Anlass war damals das fünfzigste Jahresjubiläum der Kapelle. Man entschied sich für den Glasmaler Wolf-Dieter Kohler (1928-1985), der sich gerade selbstständig gemacht hatte. Für ihn war dies ein bedeutender Auftrag aus der württembergischen Landeskirche, seinem Hauptarbeitgeber.
Im oberen Maßwerk sitzt eine mächtige Figur: Christus als Richter. Ungewöhnlich sind die knallroten Füße in Abgrenzung zu den gelben Händen, dann auch das Schwert als Zeichen der Verdammnis, dem eigentlich immer die Lilie als Zeichen der Vergebung gegenüber gestellt ist – hier nicht. Die Figur präsentiert das aufgeschlagene Buch des Lebens, man kann deutlich lesen „Ich bin das Licht der Welt“. Um den Thron ziehen sich zwölf Tortürme, die durch vor- und zurückspringendes Mauerwerk verbunden sind. Geheimnisvoll schweben türkisfarbene Wolkenbänder vor der Erscheinung.
Im mittleren Bereich rufen sieben Engel zum Gericht, darunter ein einzelner gewaltiger Engel, der ein Weihrauchfass schwenkt. Unten findet man erneut zahlreiche Bauten, ebenso wieder die türkisfarbenen Wolken. Hier ist die irdische Welt mit ihren Problemen dargestellt. Zwei Details sollen hervorgehoben werden: Ganz rechts außen hat der Künstler eine Figurengruppe eingesetzt. Eine solche Belebung der irischen Stadt ist für die Nachkriegskunst selten, daher muss diese Szene eine herausgehobene Bedeutung haben. Markant ist eine große Figur mit Hut und Rucksack.
Entweder ist hier die heilige Familie dargestellt, oder allgemein das Thema Flucht und Vertreibung. Möglich ist auch eine Bezugnahme einer lokalen Begebenheit aus Kirchheim in den 1950er Jahren, oder Kohler hat sich hier selbst dargestellt (wie später auf einem Fenster in Mengen). Davon abgesetzt ist unten rechts eine Beschriftung zu entdecken. Daraus ist zu entnehmen, dass Kohler dieses Fenster entworfen hat und es 1954 von Emil Gaisser in Stuttgart herstellen ließ. Eingeweiht wurde das neue Fenster dann am Ostersonntag 1954 vom damaligen Dekan Hermann Gölz. Die anschließende Aufnahme war bei der Lokalpresse vernichtend („zu modern“, „unverständlich“, „für eine Trauergemeinde wenig trostspendend“); heute gilt das Fenster als zentrales Schmuckstück der Jugendstilkapelle.
Birgitt Heinzelmann: Der alte Friedhof in Kirchheim unter Teck, in: Schwäbische Heimat. Magazin für Geschichte, Landeskultur, Naturschutz und Denkmalpflege, 43, 1992, S. 243-254.
Friedrich Heinzelmann: Rettet die Schöllkopf-Kapelle in Kirchheim unter Teck! In: Schwäbische Heimat. Magazin für Geschichte, Landeskultur, Naturschutz und Denkmalpflege, 47, 4, 1996, S. S. 381-386.
Friedrich Heinzelmann: Von der Kapelle zum Friedhof. Vom Friedhof zur Kapelle, in: Henriettenstift, Lateinschule, Herdstellenverzeichnis und Türkensteuerliste, Schöllkopfkapelle, Siedlungsgeschichte und historische Topografie, Kirchheim unter Teck 2001, S. 116-132.
Christa Birkenmaier (Hrsg.): Wolf-Dieter Kohler, 1928-1985. Leben und Werk, Petersberg 2021.