Rudolf Yelin (1902-1991): Plochinger Friedhofskapelle (1950)

Die Auferstehung Christi ist verständlicherweise ein passendes Bildmotiv für Friedhofskirchen, gleiches gilt für das Himmlische Jerusalem, denn dort versprachen sich viele Gläubige nicht nur ihre eigene Auferstehung, sondern auch ein Wiedersehen mit (genehmen) Familienmitgliedern und Freunden. Die Friedhofskapelle von Plochingen, einer Neckarstadt im Einzugsgebiet von Stuttgart, zeigt beide Motive vereint. Es ist eine Buntglasmalerei von Rudolf Yelin (1902-1991), der sich zu dieser Zeit auf Sakralkunst in Württemberg konzentrierte. Obwohl schon der Wiederaufbau mit seinem enormen Bedarf an Glasmalereien kaum gedeckt werden konnte, fand man Zeit, Energie und Geld für zahlreiche neue Kirchen und Kapellen. Kurz: die 1950er und 1960er Jahre waren die goldene Zeit der Kirchenfenster, niemals zuvor und auch nicht danach sind so viele Werke entstanden.
Yelin arbeitete er eng mit der Glasmanufaktur Saile in Stuttgart zusammen, wo auch dieses Fenster entstanden ist. Hier hat er in der mittleren Bahn die entscheidenden Bildmotive übereinander gesetzt, während die zwei Seitenbahnen geometrischen Muster und Engelsfiguren vorbehalten sind. Von unten nach oben ist dies die Kelchreichung im Garten Gethsemane, die Kreuzabnahme, die Auferstehung und ganz oben das Himmlische Jerusalem in einem eigenen Bildfeld. Alle diese Szenen sind fast ausschließlich in Türkisfarben und Brauntönen gesetzt. Das Neue Jerusalem setzt sich aus einem Dutzend niedriger Bauten zusammen, darunter einige Tore. Darüber ist eine originelle Aneinanderreihung von Alpha, dem Regenbogen, Omega und darunter dem Auge Gottes zu finden. Das Auge ist in einem Dreieck eingefasst, von hier gehen einige gebündelte türkisfarbene Strahlen auf die Bauten der Stadt. Dieses Bildelement ist später dazugekommen, in einem ersten Entwurf als Wasserfarbenmalerei (Landeskirchliche Archiv Stuttgart, AS 9, Nr. 2634) wird die Stadt noch ohne Trinitätssymbol gezeigt.

In Plochingen entstand das Fenster zusammen mit der Kapelle 1950 für den städtischen Gemeindefriedhof unweit der Stadtkirche St. Blasius. Das staatliche Neutralitätsgebot spielte damals in der Praxis keine Rolle, fast alle hier Bestatteten in den 1950er Jahren gehörten einer christlichen Konfession an. 2022 wurde der schlichte Bau einschließlich des Yelin-Fensters saniert und durch Werke der Künstlerin Verena Könekamp zu einer Aussegnungshalle umgestaltet. Teil des Auftrags war, die als düster und traurig empfundene Yelin-Glasmalerei durch warme Lichtobjekte heller und freundlicher zu gestalten. Unter anderem störte man sich an den gequälten Gesichtsausdrücken sowie an dem Auge Gottes, dass man nicht als behütend, sondern als kontrollierend wahrnahm. Ein Ausbau des Fensters wurde erwogen, scheiterte aber am Denkmalschutz.

Christa Birkenmaier (Hrsg.): Rudolf Yelin d. J., 1902-1991. Leben und Werk, Petersberg 2019.

 

tags: Nachkriegskunst, Friedhofskapelle, Württemberg, Rudolf Yelin, Tinität, Auge Gottes, Alpha und Omega
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