Kurt Wolff (1916-2003): Antependien „Das neue Jerusalem“ aus Kaiserswerth (1991) und aus der evangelischen Christuskirche in Dülken

Wie in römisch-katholischen Kirchen der Tabernakel wurde in evangelischen Kirchen das Antependium herangezogen, um auf ihm das Himmlische Jerusalem zur Darstellung zu bringen. Hier konnten die Künstler sich mangels einer einheitlichen Traditionslinie oftmals etwas freierer Formen bedienen; immer wieder wurden aus den Grundformen und Motiven der Johannesoffenbarung neue überraschende Kombinationen und Lösungen gefunden. Ein jüngeres Beispiel findet man in der evangelische Mutterkirche Kaiserswerth auf dem Gelände der Diakonie und mit dieser eng verbunden. Auch aus dieser Verbindung kamen die Paramente für diese Kirche aus der nahegelegenen „Werkstatt für Evangelische Paramentik Diakoniewerk Düsseldorf-Kaiserswerth“. Es handelt sich um ein sogenanntes „weißes Parament“, welches für kirchliche Feiertage vorgesehen ist.

Bereits die Farbkombination ist ungewöhnlich: Türkis auf Weiß mit Goldapplikationen, ebenso die Motivwahl erscheint einzigartig: zwölf Tore reihen sich um die Stadt, dabei vier auf jeder Seite. Da die Tore in den Ecken nur einfach gezählt werden, kommt man auf die Zahl Zwölf. Jedes Tor besteht dabei aus sechs Rahmen, die verjüngend hintereinander gesetzt sind. Dadurch gelingt es dem Künstler, bei dem Betrachter mit einfachen Mitteln eine Tiefe und Räumlichkeit zu erzeugen. Das weiße Zentrum hat in etwa die Größe von vier Toren und ist selbst quadratisch. In ihm sind mehrere Quadrate konzentrisch um die Mitte angeordnet. In dieser Mitte finden sich wiederum vier goldene Quadrate mit unterschiedlicher, vertikaler Schraffur. Kaum eine Darstellung des Neuen Jerusalem bringt es auf eine derart hohe Zahl von Quadraten, und auch das gesamte Kunstwerk hat die gleiche Länge wie Breite, ist also selbst ein Quadrat.
Geschaffen wurde das Antependium für den Liturgietisch von dem Textilkünstler und Kalligraphen Kurt Wolff (1916-2003).

Wolff fertigte den liturgischen Gegenstand in der einstigen Antipendienwerkstatt der Diakonie Kaiserswerth Ende 1991. Soweit bekannt ist es seine letzte künstlerische Auseinandersetzung mit dem Himmlischen Jerusalem. Wolff hatte 1949 die Leitung dieser Werkstatt übernommen und hier über ein halbes Jahrhundert als Grafik-Designer gewirkt, seine Paramente findet man noch heute in zahlreichen evangelischen Kirche Nordwestdeutschlands. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Wolff vor diesem seinem eigenen Kunstwerk Gottesdienst feierte: Der Künstler war auch ordinierter Prädikant, in diesem Amt hielt er Morgenandachten für den Rundfunk und Gottesdienste für die evangelische Kirche von Kaiserswerth.
Ein ähnliches Kunstwerk, allerdings in grüner Färbung der Tore, besitzt die evangelische Christuskirche in Dülken (Stadtteil von Viersen). Dort hatte es Pfarrer Hermann Kutzbach um das Jahr 2000 der Christuskirche gespendet, wo es seitdem beim Abendmahl seine Verwendung findet.

Kurt Wolff: Der Augenblick Gottes. Die Werkstatt für evangelische Paramentik im Diakoniewerk Kaiserswerth, Düsseldorf 1998.
Ruth Felgentreff: Das Diakoniewerk Kaiserswerth 1836-1998. Von der Diakonissenanstalt zum Diakoniewerk – ein Überblick, Düsseldorf-Kaiserswerth 1998 (Kaiserswerther Beiträge, 2).

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