Bruno Müller-Linow (1909-1997): Heilig-Kreuz Kirche in Bensheim-Auerbach (1959)
Bruno Müller-Linow (1909-1997) gehörte Zeit seines Lebens als Künstler und als Hochschullehrer zu den in der Öffentlichkeit bekannteren Namen. Schon frühzeitig hatte er den Expressionisten Karl Schmidt-Rottluff, den Bildhauer Paul Egon Schiffers und andere Meister kennen lernen können, seine kommunikativen Fähigkeiten, glaubt man zeitgenössischen Beschreibungen, waren herausstechend. Nach einer Tätigkeit als Rektor der Werkkunstschule Trier folgte er einem Ruf an die Technische Hochschule Darmstadt, wo er viele Jahre Zeichnen, Malen und Grafik unterrichtete. Auf diesen Gebieten war er auch selbst erfolgreich, er erhielt zahlreiche Preise und Auszeichnungen, hatte Einzelausstellungen und wurde von großen Museen und Sammlungen angekauft, wie etwa der Nationalgalerie Berlin oder der Bayerischen Staatsgalerie. Wie oft bei Menschen, die von ihrer Zeit gefeiert wurden, erschöpfte sich darin die Wahrnehmung, und nach seinem Tod geriet der Künstler schnell in Vergessenheit. Von bleibender Erinnerung sind vielleicht die Glasmalereien in katholischen wie evangelischen Kirchen, die sich überwiegend im hessischen Raum finden, wie die Pauluskirche in Bessungen, die Kirche St. Elisabeth in Darmstadt, der Kirche der Friedensgemeinde in Darmstadt, Dankeskirche in Bad Nauheim, der Allmendfelder Kirche oder auch die Heilig-Kreuz Kirche in Bensheim-Auerbach. Der Bau wurde von Jan Herbert Pinand zwischen 1958 und 1959 errichtet und steht heute, ausdrücklich auch wegen des Fensters von Müller-Linow, unter Denkmalschutz.
Diese Arbeit ist allein schon ihrer Größe (120 Quadratmeter Glas) wegen beeindruckend. Zunächst gab es überlegen, aus Gründen der Statik und der Kosten die Fenster zu verringern, doch der Künstler konnte sein Konzept durchsetzen. So entstand das größte Betonglasfenster Deutschlands. Auf sieben Bahnen erhebt sich hinter dem Altar eine Glaswand an der Ostwand, mit zahlreichen Motiven und Symbolen der Johannesoffenbarung.
Im Zentrum steht der weiße Christus, unter dem sich die goldenen Bauten der Himmelsstadt versammelt haben. Überwiegend sind rechteckige Scheiben in Goldgelb gesetzt, zwischen denen blaue, violette und orangenfarbene Farbinseln eingestreut wurden. Zwei oder drei tempelartige Bauten lassen sich in dem Häusermeer finden. Unter den Bauten deuten blaue, horizontale Scheiben den Lebensfluss an, der die Stadt wie auf einer Schale trägt.
Am 20. August 1984 wurde in der Kirche eine Meditation zu den Glasbildern in Anwesenheit des Künstlers, die viele Jahre später gedruckt wurde. Darin führt Müller-Linow aus: „Ich darf jetzt zu dem kommen, was mir in meinen christlichen Bildern immer große Sorge gemacht hat: die Gestalt des himmlischen Jerusalem. Schimmernd, in hellgelbem Licht mosaikähnliche Glasbrocken, über die der alte Karl Gruber angesichts des Glasfensters mir einmal sagte: ‚Das haben Sie sehr gut gemacht. Ich werde Ihnen auch sagen warum: weil Sie den Maßstab der Glasscherben zu dem Raum richtig gesehen haben‘.“
Hans-Jürgen Imiela: Bruno Müller-Linow (1909-1997), Alsbach 1999.
Richard Hartmann, Markus Bissinger: Die Zukunft vor Augen. Betrachtungen zum Glasfenster von Bruno Müller-Linow in der Heilig-Kreuz-Kirche in Bensheim-Auerbach, hrsg. vom Pfarrgemeinde Heilig Kreuz, Bensheim-Auerbach, Bensheim 2005.
Eduard-Franz Schließmann: 50 Jahre Heilig Kreuz 1955-2005. Festschrift zum 50-jährigen Bestehen der katholischen Kirchengemeinde Heilig Kreuz in Bensheim-Auerbach. Fünfzig Jahre Heilig Kreuz 1955-2005, Bensheim 2006.
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