Zu Beginn der 1960er Jahre stand für die evangelische Gemeinde von Gernsbach, einer badische Stadt am Rande des Schwarzwalds, endgültig fest, dass der Chorbereich mit neuen, hochwertigen Glasfenstern ausgestaltet werden sollte. Pfarrer Siegfried Diemer kam damals überein, damit den Glasmeister Albert Birkle (1900-1986) zu beauftragen. Möglich wurde es durch Spenden seitens der örtlichen Industrie und einer Dotation von Henriette Fischer-Zach, die den Künstler auch persönlich kannte und für diese Aufgabe begeistern konnte. Dann musste noch die Gemeinde für eine Darstellungsweise überzeugt werden, die man damals als (zu) modern empfand, obwohl Birkle alles andere als ein moderner Radikaler war, sondern sehr intensiv mit seinen Auftraggebern in Diskussion ging. So auch in Gernsbach, wo er eigens eine Art Probefenster gestaltete (heute noch vorhanden in der Sakristei der Kirche). Erst im September 1965 erfolgte die Auftragsvergabe. Zu diesem Zeitpunkt hatte Birkle, der fest mit dem Auftrag rechnete, schon umfangreiche Vorarbeiten geleistet, so dass der Einbau der drei Fenster nach nur wenigen Monaten abgeschlossen werden konnte.
Birkle ist heute wegen seiner Rolle in der Zeit des Dritten Reiches nicht unumstritten, was aber damals nicht die geringste Rolle spielte, zum Teil seine Vergangenheit auch nicht vollumfänglich bekannt war. Künstlerisch betrachtet war Birkle ein Meister seines Faches, der schon zuvor bewiesen hatte, dass er das Thema des Himmlischen Jerusalem sowohl figürlich als auch abstrakt bespielen konnte. Zudem arbeitete Birkle an seinen Lösungen nicht einfach weiter, sondern er erfand zu dem gleichen Thema immer neue, überraschende Darstellungsweisen – so auch in Gernsbach.
Birkle sollte hier drei Fenster gestalten, das Oster-, Pfingsten- und Jerusalemfenster.
Das Jerusalemsfenster ist nach Nordwesten hin ausgerichtet. Die drei Bahnen vereint eine Gloriole, in der das Lamm Gottes auf den Thron gesetzt ist. Umgeben ist es von zwölf stehenden Engelsfiguren, deren rote Flügel vor blauem Hintergrund das Glas strukturieren. Zudem korrespondieren sie geschickt mit dem Licht, welches vom Lamm aus nach unten strömt. Jeder der Engel steht auf einem Stadttor, das aber gar nicht wie ein Tor, sondern wie ein menschlicher Zahn samt Wurzel aussieht – eine eigenartige Lösung, die ich von keinem anderen Fenster her kenne.
Auf der ersten Fensterbahn unten ist es folgendermaßen in einem etwas holprigen Latein signiert: „Albert Birkle pinx. manu ipsic“ (korrekt wäre: „pinxit manu propria“ – gemalt von eigener Hand).
Peter Hirschfeld: Landkreis Rastatt, Karlsruhe 1963.
Rudolf Pfefferkorn: Albert Birkle. Leben und Werk, Hamburg 1983.
Siegfried Diemer: Evangelische St. Jakobskirche Gernsbach, München 1984.
Regina Meier, Irene Schneid-Horn, Susanne Floss: Leuchtende Hoffnung. Die Glasfenster von Albert Birkle in der Gernsbacher St. Jakobskirche, Gernsbach 2020.
Regina Meier: Die Kunstfenster in der St. Jakobskirche Gernsbach. Farbiges Glas bringt das Licht von Ostern zum leuchten, in: Gernsbacher Bote, 1. 2021, S. 10-11.
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