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Rudolf Schillings (1925-2003): Himmelspforte aus St. Maria in Picard (1959)

Die Saarregion war nach dem Zweiten Weltkrieg schwer zerstört und wurde erst einmal von einem Hochkommissar Frankreichs verwaltet. Mit dem Bau der Marienkirche in Picard, einem kleine Stadtteil von Saarlouis, wollte man einen Neuanfang wagen. Der Bau von 1949 wirkt von der Straßenseite wie eine kleine Kapelle, besitzt aber einen überraschend großen Apsisbereich.

In der Architektur orientierte man sich einerseits am Expressionismus der 1920er Jahre, andrerseits finden sich Stilelemente, die für die Nachkriegszeit prägend werden sollten. Der hauptsächliche innere Schmuck des Neubaus sollten Buntglasfenster werden, die zunächst noch an figürliche Arbeiten ausgerichtet und traditionell gehalten waren. Damit beauftragte man den Glaskünstler Josef Scheuer. Von Beginn an war vorgesehen, alle Fenster motivisch zu gestalten, doch in den 1940er Jahren fehlte es an Geld und Material. Erst in einer zweiten Bauphase Ende der 1950er Jahre wurden die restlichen Fenster gestaltetet. Möglich wurde das durch eine Finanzierung für Verschönerungen anlässlich der Wallfahrt zum Heiligen Rock nach Trier 1959. Scheuer, der vor allem in den 1920er und 1930er Jahren wirkte, war jetzt in hohem Alter und gestaltete nur noch ausnahmsweise Fenster, zudem hatte sich der Zeitgeschmack radikal geändert. Man wünschte bewusst einen Bruch mit der Kunst der Vorkriegszeit, indem die neuen Arbeiten fast abstrakt ausgeführt sein sollen. Der wesentlich jüngere Rudolf Schillings (1925-2003), der an der Kunst des Bauhauses ausgerichtet war und zum Teil gänzlich abstrakt arbeitete, war der Mann der Stunde.
Für die Marienkirche entwarf Schillings Fenster, von denen zehn Motive aus der Lauretanischen Litanei zeigen. Mit diesen Arbeiten vollendete Schillings das Werk seines Kollegen Scheuers, der, passend zum Namen der Kirche, fünf Mariensymbole in der Apsis zeigt. Es existiert ein Entwurf von Scheuer, aus dem hervorgeht, dass Schilling jetzt genau diese Motive umsetzte, die Scheuer ursprünglich für den Rest der Kirche vorgesehen hatte.


„Alle Neune“ möchte man rufen, betrachtet man unbefangen ein Fenster an der rechten Seite des Kirchenschiffs. Selbstverständlich zeigt das Fenster keineswegs ein Kegelspiel, ganz im Gegenteil war die Gestaltung von Kirchenfenstern damals eine äußerst ernste Angelegenheit – anders als in England, wo schon einmal ein Cricketfeld vor dem Neuen Jerusalem gezeigt werden konnte. Die Objekte, die wie umgeworfene Kegeln aussehen, lassen sich tatsächlich schwer deuten. Manche sehen in ihnen Menschen, die zur Himmelspforte strömen. Ich vermute, dass hier stilisierte Wolken dargestellt sein können. Sie würden zur Himmelspforte passen, die im Hintergrund gezeigt ist. Schillings hat die Pforte später nochmals in St. Anna in Kattenes an der Mosel ähnlich dargestellt, dort allerdings einen Spalt geöffnet.

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tags: Saarland, Spiel, Lauretanische Litanei, Himmelspforte, Nachkriegskunst
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