Heinrich Skudlik (1927-2020): Fastentuch aus St. Laurentius in Parsberg (1978)

Das Bild oben zeigt einen Ausschnitt aus dem Fastentuch der Parsberger römisch-katholischen Kirche nach einem Entwurf zum Neuen Jerusalem von Heinrich Skudlik (1927-2020). Dabei handelt es sich um den ehemaligen Kunstlehrer am Miesbacher Gymnasium und späteren Pfarrgemeinderats-Vorsitzenden in Parsberg bei Miersbach im Allgäu. Nachweislich hat Skudlik in seinen Kunststunden die Schüler und Schülerinnen das Neue Jerusalem zeichnen lassen, zu klassischer Musik (Bach), was den künstlerischen Prozess steigern sollte.

Die Überlegungen zu diesem Fastentuch führen zurück in die 1960er Jahre. Anders als bei freien Arbeiten musste Skudlik hier auf Wünsche der Gemeinde Rücksicht nehmen und mit mehreren Frauen aus Parsberg über Jahre zusammen arbeiten, was für den Künstler eine ungewohnte Herausforderung war. Noch heute erinnert man sich, dass die Zusammenarbeit nicht immer leicht gewesen war, für beide Seiten. 1978 konnte es nach vielen Jahren fertiggestellt werden, es ist heute das älteste Fastentuch mit dem Jerusalemsmotiv im deutschsprachigen Raum.
Das Tuch zeigt in der Mitte Christus am Kreuz hängend und direkt darunter den obigen Ausschnitt mit der Jerusalems-Darstellung. Zu sehen sind übereinander gestaffelte Architekturkompartimente, überwiegend Häuser. Ins Auge fallen drei Türme mit dunkelblauen Zwiebeldächern im Vordergrund, die eng nebeneinanderstehen und nur durch ein schmales, hohes Fenster getrennt sind. Sie sind in Türkis gehalten, wie auch andere Dächer im oberen Stadtabschluss und auch die Fensterlaibungen in Türkis gehalten sind, wohl um Kupfer anzudeuten. Christliche Symbolik wurde in diesem Bildteil weggelassen, wie auch typische Figuren wie Christus, Johannes, Engel oder Apostel fehlen. Dennoch soll nach verbriefter Aussage des Künstlers das Himmlische Jerusalem dargestellt sein. Dieser Bildteil ist mit Abstand der hochwertigste und künstlerisch überzeugendste. Umgeben ist die Stadt von zehn einfachen Bildfeldern, die die Passionsgeschichte wiedergeben, vor allem mit Martern und Folterwerkzeugen, passend zu einem Hungertuch. Die Folterszenen, die heute niemanden schockieren, da wir aus den Medien ganz anders gewohnt sind, waren in den 1960er Jahren Anlass zu Diskussion, auch empfand man die Figuren als zu schematisch und ungelenk, während der Künstler argumentierte, sie absichtlich so darzustellen.

Anlässlich meines Besuches wurde das ungewöhnliche Fastentuch ausnahmsweise in der Kirche aufgerollt. Normalerweise ist die Textilarbeit nicht sichtbar und wird nur in der Fastenzeit, also den Wochen vor dem Osterfest, über dem Altar aufgehängt. Dann verbirgt es die Ölmalerei des Hochaltars, welche ebenfalls Folterungen zeigt, nämlich das Martyrium des Heiligen Laurentius, eine spiegelbildliche Kopie des Rubens-Bildes aus der Alten Pinakothek zu München. In der Fastenzeit hängt das Tuch an einer Stange, die zwischen den Kapitellen der korinthischen Säule eingezogen ist. Die Maße der Auftragsarbeit entsprechen genau den Maßen des Altarbildes, um es sicher zu verhüllen.

Pfarrkirche St. Laurentius Parsberg. Ein meditativer und kunsthistorischer Wegweiser, Miesbach 2018.

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tags: Fastentuch, Allgäu, Hungertuch, Oberbayern
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