Die evangelische Petrikirche ist heute das älteste Kirchengebäude in Mülheim an der Ruhr. Seine historischen Glasfenster gingen im Zweiten Weltkrieg verloren. Zwei Generationen lang kam die Kirche mit einer Notverglasung aus, die unter dem Gelsenkirchener Architekten Denis Boniver in den 1950er Jahren eingebaut wurde. Erst 1990 kam es zu hochwertigen Glasfenstern im Chorbereich, welche in der Manufaktur Derix hergestellt worden waren. Verantwortlich war der Bildhauer und Zeichner Ernst Rasche (1926-2018), der in Mülheim geboren wurde und vielfältig mit der Stadt verbunden war. So stammt von Rasche die Chorwand von St. Mariä Geburt, wo er erstmals das Himmlische Jerusalem darstellte. Das war unmittelbar vor dieser Arbeit fertig geworden.
In der Petrikirche ist eines der fünf Chorfenster an der rechten Seite dem Himmlischen Jerusalem vorbehalten. Das gesamte Fenster ist, wie auch die übrigen Glasarbeiten Rasches für die Kirche, in erdigen Braun-, Blau- und Türkisfarben gehalten, die eine kühle, ja kalte Tönung mit sich bringen. Die figürlichen Teile des Fensters wurden mit wenigen Scheiben zusammengestellt und konzentrieren sich auf die mittlere Fensterbahn, während an den Außenseiten rechteckige Kästchen eine Art Rahmen bilden. Auch die Maßwerksfenster im oberen Abschluss sind in die figürliche Komposition nicht eingebunden. Rasche zeigt in der mittleren Bahn vor allem einen Strom zahlreicher Menschen, die sich der Stadt nähern. Diese Stadt ist dann tatsächlich umgedreht, man sieht gewissermaßen die Unterseite, die mit dem Lamm Gottes besetzt ist. Rasche erklärt die ungewöhnliche Form: „Letztlich ist die Form der Architektur nicht wirklich vorhanden, sondern wird von unseren Sinnen erzeugt. Was für uns unten oder links oder rechts ist, kann mit anderen Organen ganz anders betrachtet werden. Man kann die Stadt ja heute kaum mehr wie ein Schloss oder eine prachtvolle Vision darstellen, sondern im Sehen von Johannes auf Patmos sollte man das Brüchige und Unfertige seines eigenen Lebens ahnen. (…) Zu dem gesamten Fenster gab es ein Modell aus Karton und Pappe, teilweise schon bemalt. Damit hatte ich immer wieder experimentiert, die Dreidimensionalität auf die Fläche zu bringen, ohne die Plastizität und die Bewegung zu verlieren, sondern sie im Gegensatz durch den Schwung der Menschenmenge unten und durch den Lichteinfall oben zu steigern.“
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