Die orthodoxe Kirche von Linyna in der Region Staryj Sambir (westliche Ukraine an der Grenze zu Polen) besitzt eine wertvolle Weltgerichtsikone, die jüngst von der Kunsthistorikerin Marta Fedak erforscht und dokumentiert wurde. Dennoch sind weiterhin Fragen offen, wie die Provenienz, der oder die Auftraggeber oder noch ganz andere Überlegungen, die nur durch intensives Quellenstudium (zeitlich kaum zu leisten) oder durch naturwissenschaftliche Analyse (nicht zu finanzieren) weiter zu klären wären.
Das Himmlische Jerusalem, zu finden auf der Ikone in der Ecke oben links, ist an westliche Beispiele der byzantinischen Spätantike angelehnt. Das belegen beispielsweise Gewandstudien oder die Darstellung der Bauten, ähnlich wie auf einem Weltgericht aus Drohobytsch im Nationalmuseum Lemberg (1685). Wohl einmalig ist die eigenartige rechteckige Wandpartie mit den zahlreichen weißen Punktierungen, vor der Heilige und Engel stehen. Was aussieht wie eine Silberplakette soll vermutlich ein Teilen der Mauer um das Himmlische Jerusalem darstellen. Darauf deuten auch Ansätze von Zinnen auf der Oberkante. Die Pforte in der Stadt ist dagegen das schwarze Rechteck zwischen zwei Heiligen (Christus links, Maria als Himmelskönigin rechts). Neben ihnen sind weitere Heilige und ein Engel versammelt. Hinter den Figuren erheben sich mehrere Bauten der Stadt. Die auf das Wesentliche reduzierten Bauten sind eng aneinander gesetzt, wie es in einer Stadt des 15. Jahrhunderts selbstverständlich war und was damals nicht als Enge, sondern als Schutz und Sicherheit empfunden wurde. Diese Stadtabbreviaturen waren auch eine Verheißung von Schutz und Wohlstand, ansonsten wäre ihre Popularität über Jahrhunderte, nicht allein auf Ikonen, kaum zu erklären.
М. Гелитович: Українські ікони XIII — початку XVI століть зі збірки Національного музею у Львові імені Андрея Шептицького, Львов 2014.
Claus Bernet: Die Frühe Neuzeit: Eine Hoch-Zeit der Jerusalemskultur, Norderstedt 2016 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 5,2).