Klaus Arnold (1928-2009): Glasfenster aus St. Matthäus in Aglasterhausen (1966)

Künstlerischer Höhepunkt in der römisch-katholische Kirche St. Matthäus in Aglasterhausen südöstlich von Heidelberg im Neckar-Odenwald-Kreis sind die Glasfenster von 1966. Sie wurden von Klaus Arnold (1928-2009), einem gebürtigen Heidelberger und zu dieser Zeit Professor an der Kunstakademie Karlsruhe, geschaffen und gehören zu der Grundausstattung des modernen Baus. In der Mittelachse des Altaraums sind in kräftigen roten und blauen Farben die Erhöhung und die Verklärung Christi sowie das Himmlische Jerusalem dargestellt.

Steht der Mensch vor dem Altarbereich, sieht man vier Flügel von zwei Fensterbahnen. Man kann sie jedoch nicht frontal sehen, sondern alle Fenster in diesem Bereich sind in die mittlere Achse nach innen gezogen, so dass die Bildelemente schief wahrgenommen werden müssen. Bereits dies erschwert die Deutung. Hinzu kommt, dass ein weiterer Flügel im unteren Bereich durch Betonpfeiler, Träger und den massiven Altar fast vollständig verdeckt sind. Um den Betrachter völlig zu verwirren, hat man direkt vor diese bauliche, aber auch in der Aussage zentrale Fensterfront ein gewaltiges Kreuz von Edwin Neyer gehängt.

Durch die vier metergroßen Medaillons schimmern zwar noch die Farben der Arbeiten Arnolds, was einen eigenen Reiz ausmacht und eine besondere Stimmung erzeugt, aber die Buntglasfenster werden dadurch endgültig unlesbar.
Um sich einen Eindruck zu verschaffen, was Arnold uns in seiner Gesamtheit zeigen wollte, hilft nur eine Collage. Diese dreht und setzt sechs Einzelfenster so zusammen, dass die Lesbarkeit hergestellt wird, wie man es im Raum aber selbst nie erleben kann:

Klaus Arnold bringt figürliche Elemente an die Grenze der Abstraktion, ohne jedoch biblische und religiöse Formsprache gänzlich aufzugeben. Seine Kompositionen zu deuten, ist schwierig – wäre der Titel dieser Arbeit nicht „Himmlisches Jerusalem“, würde man es schwerlich erkennen, zumal es von Seiten des Künstlers absichtlich keine Hilfestellungen oder Erklärungen zu den Werken gibt. „Gute Kunst muss so aus sich selbst sprechen, dass sich jede weitere Erklärung verbietet“ (1998) war eine Aussage Arnolds zu den Fenstern in Aglasterhausen. Gerade dadurch öffnet sich aber doch wieder Raum für Erklärungen, Deutungen und Missdeutungen, zumal in einer Zeit, wo die biblischen Erzählungen und christlichen Symbole nicht mehr zum Allgemeingut gehören. Viele stehen vor diesen Werken wie vor einem hinduistischen Götterbild und verstehen gar nichts. Einige Hinweise mögen Orientierung geben. Da Arnold ihnen nicht widersprochen hat, haben sie eine gewisse Plausibilität:
-die breiten weißen Streifen lassen ein Dutzend offene Tore erkennen,
-an mehreren Stellen schichten sich Farbbänder übereinander – sie deutet die Edelsteine als Fundament der Stadt an,
-Rot und vor allem Blau sind seit dem Mittelalter die dominierenden Farben des Neuen Jerusalem,
-dunkle braune Partien im unteren Bereich stellen die alte, untergehende Welt dar,
-in der zweiten Ebene links ist das göttliche Lamm eingesetzt.

Pfarrgemeinde St. Matthäus, Aglasterhausen, Aglasterhausen (1966).
Franz-Josef Worring, Reinhold Rüttenauer: Katholische Pfarrkirche St. Matthäus in Aglasterhausen, in: Bauwelt, 1968, S. 270-271.
‚Gottes Zelt auf Erden‘. Katholisches Pfarrkirche St. Matthäus Aglasterhausen, Aglasterhausen-Neunkirchen, um 2016.
Claus Bernet: Kirchenfenster und Glasarbeiten, Teil 3, Norderstedt 2015 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 26).

tags: Abstrakt, Baden, Klaus Arnold, Moderne, Collage
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