Seit dem Osterfest 1990 schmücken insgesamt drei Altarbilder der Aschaffenburger Künstlerin Helga Hein-Guardian (1937-2012) den Gottesdienstraum der Evangelischen Thomasgemeinde in Gießen (Hessen). Die drei Batiken sollen den Blick der Betrachter auf das Zentrum des Glaubens richten. Das rechte Bild thematisiert dabei die Erwartung der neuen Schöpfung und der Vollendung am Ende der Zeit.
Biblische Bilder der Hoffnung auf Erlösung von Schmerz und Leid zeigen nach oben in eine gute, bessere Zukunft. Propheten wollen die Umkehr der Menschen von bösen Wegen erreichen. Die ersten Überlieferungen des Prophetenbuches Jesaja datieren wahrscheinlich aus dem 8. und 7. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung. Jesaja ist ein Prophet, der schreckliche Abrechnungen ansagt, wenn die Menschen sich nicht an Gottes Wort halten. Andrerseits ist er ein Prophet des zukünftigen Heils. Diese biblische Botschaft – das Bild der Völkerwallfahrt zu Zion und das Symbol des Umschmiedens von Schwertern zu Pflugscharen – malte die Künstlerin in leuchtenden, positiven Farben. Auf einem langen Weg hin zu einem roten Feuerball – der eigentlichen Himmelsstadt – durchziehen Pilgerscharen immer wieder Tore bzw. Himmelspforten. Auch dieser Teil, der zwischen alter und neuer Schöpfung steht, ist von Hein-Guardian in kräftigem Rot gemalt. Es ist ein Zug der Freude, der gut nachvollziehen lässt, dass die Künstlerin viele Jahre auch als Musikerin gearbeitet hat.
Die 1937 geborene Helga Hein-Guardian studierte Illustration und Wandmalerei an der Werkkunstschule in Köln und besuchte die Musikakademie in Würzburg, wo sie Gesang studierte. Von 1960 bis 1980 lebte sie in Aschaffenburg, wo sie zu einer überregional anerkannten Textilkünstlerin mit Aufträgen unter anderem für Kirchen in Gießen und Wiesbaden wurde. In der Aschaffenburger Kunstszene wurde sie für ihre Werke in der Batiktechnik bekannt. Als Sängerin trat sie auf deutschen und ausländischen Bühnen auf. Lange Jahre hatte sie einen Lehrauftrag für Gesang an der Universität Koblenz-Landau. Helga Hein-Guardian verbrachte ihre letzten Lebensjahre in Hillscheid im Westerwald und verstarb 2012.
Trauriges Update: Auch in Gießen geht die Zahl der Christen massiv zurück, ganze Gemeinden brechen zusammen, Kirchen werden aufgelöst. Davon ist auch die Thomasgemeinde betroffen. Seit Januar 2020 bildet sie gemeinsam mit den Gemeinden Michael (Wieseck) und Paulus die Evangelische Gesamtkirchengemeinde Gießen Nord. Was langfristig mit den Kunstwerken geschieht, ist ungewiss; provisorisch wurden sie erst einmal in Stoffbahnen verpackt. Die Pfarrerin der Gemeinde bestätigte mir, dass es gut sein könne, dass ich die Werke als letzter gesehen habe.