
Diese Ikone stammt aus der russisch-orthodoxen Kirche zu Leontius Zarove in Rostow am Don am Asowschen Meer. Dort war sie im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts entworfen und angefertigt worden. Die komplexe Ikone ist detailreich und erzählfreudig gehalten, unmöglich kann und soll hier auf alle Details eingegangen werden. Erwähnenswert für unser Thema ist, dass auf der Ikone unten rechts die Hölle, unten links das Paradies aufgemalt ist. Dabei zeigt das Paradies bereits Züge der Darstellung des Himmlischen Jerusalem, etwa bei den hohen, durch Türme strukturierte Mauer oder durch die Heiligen im Inneren.
Das Himmlische Jerusalem befindet sich auf dieser, wie auch auf den allermeisten übrigen Ikonen, in der Ecke oben links (hier als Ausschnitt wiedergegeben). In diesem Fall bemerkt man sogleich die hohen und weißen Mauer, die an die Ummauerung des Rostower Kremls im 17. Jahrhundert angelehnt ist. Es ist eine der wenigen Ikonen, die bei der Darstellung des Himmlischen Jerusalem auf ein historisches Bauwerk anspielt. Wie auch bei entsprechenden Beispielen der Westkirche ist es selbstverständlich ein sakrales Bauwerk aus der eigenen, historischen Umgebung.
Von den Türmen sehen wir drei an einer Seite, vermutlich ist der Bau quadratisch gedacht, so dass er insgesamt zwölf dieser Türme besitzt. Diese sind zugleich die Tore in die Stadt. Besetzt sind sie an der Außenseite mit einem rotfarbenen Engelswesen, welches über den Zugang wacht. Von ganz links unten nähern sich Engel und Heilige der Stadt. Es sind weitere Bewohner zu den zahlreichen Heiligen, die sich bereits hinter den Mauern eingefunden haben. Sie sitzen in langen Reihen und schauen erwartungsvoll in Richtung des zentralen Tondos mit Christus und Gott.
Claus Bernet: Ikonen des Weltgerichts, Norderstedt 2015 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 37).