Alain Makaraviez (geb. 1936) und Edwige Walmé (1990-1992): Kathedralenfenster von Clermont-Ferrand (1982)

In einer eher traditionellen Manier zeigt ein blaugetöntes Glasfenster, wie ein übergroßer Engel das Himmlische Jerusalem ausmisst. Es ist eine gewaltige weiße Figur mit roten Flügeln und einem weißen Gewand mit Lilien, welche sich entlang des oberen gerundeten Abschlusses des Fensters zieht. Darunter setzen unmittelbar die Dachanlagen der Stadt an, mit Einzelheiten wie Wetterfähnchen und Dachschindeln. Die verschiedenfarbigen Mauerstreifen der drei Tore vereinen sich zu einem blockartigen Bau. In ihrer rustikalen Ausgestaltung mit Diamantquadern verweisen sie auf die Edelsteine Jerusalems, auch die Zahl Zwölf deutet daraufhin, wenngleich eines der Edelsteinbänder durch eine horizontale Bleirute verdeckt ist. Auch bei den Engeln, die in den Toren stehen, ist von zwölf Figuren auszugehen. Jede dieser Figuren ist wie der große Engel von oben gestaltet. Vermutlich steht in jeden der drei Tore auf vier Seiten jeweils ein solcher Engel. Die zwei kleinen Dächer an der linken und rechten Seite oben wie auch die zurückspringende Mauerkante unten belegen die angedachte Quadratform der Anlage. Diese Stadt, die auf hellblauen Wolken schwebt und von Sternen umgeben ist, erinnert in den Details an mittelalterliche Apokalypsedarstellungen aus Miniaturen Englands oder Frankreichs, bezieht sich aber in ihrer Gesamtheit auf keine konkrete historische Abbildung.

Das Fenster befindet sich in der römisch-katholischen Kathedrale von Clermont-Ferrand (Region Auvergne-Rhône-Alpes) und wurde von 1980 bis 1982 von Alain Makaraviez (geb. 1936) und Edwige Walmé (1990-1992) ausgeführt, nach schriftlichen Anweisungen des kunstbegeisterten Erzpriesters Bernard Craplet (1911-1984). Hauptfarben sind auch hier Rot und Blau, was schon seit dem Mittelalter nicht nur die Farben Mariens, sondern auch die des Himmlischen Jerusalems waren und sind. Das Fenster gehört zu einer dreiteiligen Komposition von einem Biforienfenster und einem Rosettenfenster aus einem Achtpass mit dem auferstandenen Christus in der Mitte.

Das Fenster ist selbst nur etwa vier Meter hoch und befindet sich an der linken Seite des Westwerks, dem Altar gegenüber, in einer Nische vor einer Marienskulptur von 1855. Dieser Bereich hat den Namen „Kapelle der Apokalypse“ bekommen und wurde von dem Architekten Violett le Duc entworfen. Das Fenster, das diese Kapelle nach hundert Jahren erst vollendet, gilt als Meisterleistung der modernen Buntglasmalerei; die Verwaltung hat eigens eine Tafel dazu entworfen, auf der das Fenster näher erklärt wird.

Anne Courtillé: La cathédrale de Clermont, Nonette 1994.
Jean-François Luneau: Les vitraux de la cathédrale de Clermont-Ferrand, Session/Congrès Archéologique de France, 158, 2000, S. 153-157.
Claus Bernet: Kirchenfenster und Glasarbeiten, Norderstedt 2013 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 6).

 

tags: Engel, Maßstab, Auvergne-Rhône-Alpes, Frankreich
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