Österreich scheint ein Land zu sein, in dem seit dem Mittelalter das Himmlische Jerusalem immer mal wieder auf Fastentüchern dargestellt ist. Ein neueres Beispiel ist das Fresacher Fastentuch aus Kärnten, das 2009 von dem Künstler Alexander Antoljevic Zvjagin (geb. 1947) gestaltet wurde (signiert und datiert unten rechts). Zvjagin ist ein akademischer Maler aus Russland, der sich bei dem Bildaufbau an orthodoxe Ikonenbilder anlehnte, wobei sich für das theologische Konzept der Franziskaner Franjo Vidovic verantwortlich zeichnete. In der Mitte des Tuches der Größe 3,40 x 2,60 Meter findet man eine Kreuzigungsszene, an der linken Seite fünf Bilder aus dem Alten, an der rechten fünf aus dem Neuen Testament. Alle Bilder sind durch einen breiten tiefroten Rahmen voneinander abgegrenzt, die einzelnen Bildfelder sind vor allem durch kräftige poppige Farben, wie Türkis oder Violett, gekennzeichnet. Das quadratische Bild rechts unten zeigt das Himmlische Jerusalem, zu Füßen zweier stehenden schlanken Figuren: Jesus (links), der mit seinen Händen gestikuliert, und Maria (rechts), die einen in sich gekehrten Eindruck macht und deren Blick auf die Stadt fällt. Zwischen die Figuren sind an der vorderen Seite eines Quadrats Häuser aneinander gesetzt, in der Mitte drei Tortürme mit einem Rundbogen als zentralen Eingang in die Stadt. An den drei übrigen Seiten des Quadrats ist allein die Stadtmauer dargestellt, als violetter Streifen mit einer Zinnenmauer. Darüber leuchtet ein Kreis, der wie eine Sonne aussieht, die dem Wortlaut der Offenbarung nach jedoch überflüssig sein sollte. Bei diesem Bild handelt es sich übrigens um eine Kopie von Schnorr von Carolsfelds berühmter Bilderbibel aus dem Jahr 1860. Bei diesem findet man auch die identische Bildüberschrift: „Beati qui ad coenam nuptiarum agni vocati sunt“ – eine Anspielung auf das ewige Abendmahl im Himmlischen Jerusalem nach Apokalypse Kapitel 19, Vers 9.
Beitragsbild: Monika Suntinger