Walter Klocke (1887-1965): St. Marien in Waltrop (1933)

Waltrop im Ruhrgebiet hat mit St. Marien eine römisch-katholische Kirche, durch die Wirtschaftskrisen der 1920er Jahre erst 1933 fertiggestellt werden konnte, nach jahrzehntelanger Vor- und Umplanung. Architekt war Joseph Franke (1876-1944) aus Gelsenkirchen. Der nüchterne Backsteinbau wurde mit Glasmalereien in Antikglas, Blei und Schwarzlot ausgestattet. Es ist eine der frühesten Kirchen unter Einfluss des NS-Stils, die das Neue Jerusalem zeigt, hier in Form einer Himmelspforte im Hochfenster im Schiff der Kirche. Dabei steht die einfache Pforte pars pro toto für das größere Neue Jerusalem, welches genau genommen zwölf Zugangspforten hat. Die Pforte stellvertretend für das Neue Jerusalem zu setzen hat eine lange zurückliegende Tradition, die bis zu spätantiken Mosaiken Roms führt. Die Pforte gehört hier zu einer ganzen Reihe von weiteren Symbolen aus der Lauretanischen Litanei, die alle in Rotbraun auf weißem Grund gehalten sind; man findet in dieser Kirche neben der Pforte auch die Bundeslade, die Heilige Rose oder das Goldene Haus.

Entworfen wurde die Fenstergestaltung von Walter Klocke (1887-1965), einem Glasmaler und Mosaikkünstler aus Bielefeld. Ausgeführt wurden die Arbeiten von der Manufaktur Otto Peters in Paderborn. Klocke hatte nach seiner Zeit als Soldat des Ersten Weltkriegs einen Handwerksbetrieb gegründet, entwickelte sich aber zeitgleich immer mehr zum anspruchsvollen Künstler des Ruhrgebiets, wohin er 1922 zog, um mit dem genannten Architekten Franke enger zusammenzuarbeiten. In den 1930er Jahren war Klocke einer der erfolgreichsten Sakralkünstler in ganz Nordrhein-Westfalen. Dort hat er das Motiv des Neuen Jerusalem später nochmals aufgenommen, 1959 bei einem Tabernakel der Propsteigemeinde St. Augustinus in Gelsenkirchen.
Die Darstellung in Sankt Marien steht an der Schnittstelle zwischen figürlicher und abstrakter Kunst – wüsste man allein vom Bild, dass es sich hier um eine Himmelspforte handelt? Diese ist durch verdichtete Ornamentik (rotbraune Eingänge) auf angedeuteten Stufen im unteren Bereich, oder durch einen Rundbogen im mittleren Teil, durch einen Kreis (mglw. ein Nimbus) betont.

75 Jahre – St. Marien in Waltrop. Festschrift zum Kirchenjubiläum 2007, Waltrop 2007.
Brigitte Spieker, Rolf-Jürgen Spieker: Glaubensbekenntnis in Glas, Licht und Farbe: Walter Klocke – ein Gelsenkirchener Glasmaler und Mosaikkünstler, Gelsenkirchen 2017 (2).

 

tags: Walter Klocke, Ruhrgebiet, Nationalsozialismus, Porta Coeli
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