Wilhelm de Graaff (1912-1975): Himmelspforten aus der abgerissene Kirche Liebfrauen in Buer-Beckhausen und profanierte Kirche St. Mariä Geburt in Essen-Frohnhausen (beide 1953)
Der heute eigentlich nicht mehr bekannte deutsche Bildhauer und Glaskünstler Wilhelm de Graaff (1912-1975) gestaltete im Jahr 1953 in zwei verschiedenen Kirchen jeweils ein Fenster mit einer ähnlichen Himmelspforte. Beide Arbeiten waren im Ruhrgebiet zu finden, wo im Zweiten Weltkrieg so gut wie alle Kirchenfenster verloren gingen und in wenigen Nachkriegsjahren so viele Fenster hergestellt werden mussten wie in Jahrhunderten zuvor.
Das bemerkenswerte Schicksal dieser beiden Glasarbeiten ist, dass in beiden Fällen die kirchliche Nutzung nicht mehr erlebbar ist. Das erste Beispiel wurde zerstört, dass zweite Beispiel ist noch erhalten, jedoch in einer anderen, neuen Raumnutzung.
In der römisch-katholischen Kirche Liebfrauen in Buer-Beckhausen (Gelsenkirchen) befand sich eine Darstellung der Himmelspforte zusammen mit weiteren Symbolen der Lauretanischen Litanei, wie dem Morgenstern, dem Ölzweig und dem leeren Grab. Sie alle wurden auf einer Bildtafel vereint, wobei die Himmelspforte sinnigerweise ganz oben positioniert wurde. Die Pforte in Form eines schlichten Rundbogens ist noch einmal von einer Art Mandorla gerahmt, deren blau-braune Farben kräftiger als die der Umgebung sind. Die rotgelbe Pforte selbst scheint aus Holzlatten zu sein, weiße Wolken schweben direkt über ihr. Das Farbfenster aus Antikglas und Blei befand sich im Kirchenschiff, und zwar als erste Bildtafel rechts vom Altarbereich. Es wurde einst von der Firma Otto Peters in Paderborn hergestellt. In dieser Gestaltung war das Werk nichts Besonderes, ähnliche Nachkriegspforten gab es beispielsweise auch von Rudolf Schillings.
Ich konnte das Glasfenster noch ein letztes Mal vor dem Abriss dokumentieren, als der Kirchenraum bereits vollständig leer geräumt war. Zuvor hatte man noch intensiv versucht, die Fenster zu verkaufen. Selbst eine Rettung durch Einlagerung in ein Depot für historische Glasfenster war nicht möglich, da nicht einmal die Kosten für das Ausbauen und Transportieren der Fenster aufgebracht werden konnten oder wollten. Die örtliche Gemeinde hat jedoch jedes Fenster hochauflösend abgelichtet und stellt diese Aufnahmen für Forschungszwecke zur Verfügung.
Hoffnungsvoller ist das Schicksal der zweiten Himmelspforte aus der ehemaligen Kirche St. Mariä Geburt in Essen-Frohnhausen. Auch dieses Werk ist aus Antikglas, Blei und Schwarzlot. Ebenfalls wird die Pforte hier im geschlossenen Zustand präsentiert. Das Fenster ist ganz in weißen und hellgrauen Glasscheiben gehalten. Die Darstellung der Pforte ist denkbar einfach: Auf einem waagrechten Balken als Sockel erhebt sich ein ungeschmückter Rundbogen, der mit aneinandergesetzten, schrägen rechteckigen Scheiben fast vollständig gefüllt ist. Nur oben links und rechts sind je drei Scheiben freigehalten worden, um auf die Durchlässigkeit auch dieser Pforte hinzudeuten.
Die Glasmalerei war ein Oberlicht an der linken Seite vor dem Altar an einer Wandseite, an der sich eine stark befahrene Straße befindet. Dieses wie auch die anderen Fenster wurden bewusst als Zweisichtverglasung gestaltet: Die Motive sind sowohl im Inneren des Gebäudes als auch von außen gut zu erkennen, selbst ohne Beleuchtung. Das war damals der bewusste Anspruch der Katholiken, den Stadtraum auch visuell mit zu gestalten und Präsenz zu zeigen.
Von diesem Anspruch ist nichts mehr geblieben. Während der größten Krise in der Geschichte des Katholizismus wurde auch diese Kirche kaum mehr besucht und schließlich am Ende des 20. Jahrhunderts profaniert. Ein Abriss konnte verhindert werden, indem das Gebäude ab 2011 zu dem Veranstaltungsort LIGHTHOUSE umgebaut wurde. Dabei ist man sorgfältig vorgegangen und hat Spuren der einstigen sakralen Nutzung belassen, aber auch neue Akzente gesetzt. Im Ergebnis wird der Umbau von vielen Besuchern und Besucherinnen schöner als die einstige Kirche wahrgenommen. Zudem ist die neue Nutzung ein hervorragendes Beispiel, wie man historische Bausubstanz ressourcenschonend und nachhaltig erhalten kann.
Claus Bernet: Spezialband: Himmelspforten vom Mittelalter bis heute (Kirchenfenster und Glasarbeiten, Teil 4), Norderstedt 2018 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 46).