Im Jahr 1964 entstand die evangelische Johanneskirche in Freigericht (Main-Kinzig-Kreis), die bereits 1985 umfassend umgestaltet wurde. Dabei entstand auch das Fenster „Neues Jerusalem“ von Werner Rücker (1937-2018), einem Glaskünstler aus Horbach, einem Nachbardorf von Freigericht. Von dem Künstler ist in der Kirche auch die rhythmische Wandgestaltung, der Altar und der Ambo. Das Fenster „Neues Jerusalem“ findet man gegenüber des Taufbeckens, rechts vom Altar vorne.
Blickpunkt ist eine weiße Gestalt mit einem eigenartig deformierten Kopf, der manchen an einen Alien oder an ein Insekt erinnert. Die Figur zwischen Himmel und Erde, mit erhobenen Armen, hält einen siebenarmigen Leuchter in ihren Händen, in feuerroten Farben direkt über ihren Kopf. Wo die Füße der Figur die Erde berühren, erwächst die Stadt aus Edelsteinen. Dort findet sich ein Rautenmuster, deren violette Gelenke durch goldene, rechteckige Scheiben verknüpft wurden. Zwei dieser violetten Gelenke haben den unteren Bereich verlassen und finden sich frei schwebend links neben der Figur. Rücker erklärt dazu: „Bei der Gestaltung war mir die Verwurzelung unseres Glaubens im Jüdischen zentral. Die Erfahrungen des Dritten Reiches habe ich in einem „Bußfenster“ thematisiert; hier jedoch haben wir die die zukünftige Hoffnung vor uns. Jerusalem kann man nach 1945 nicht mehr als harmonische Wunschvorstellung darstellen, es muss sich etwas von Trost und Erlösung von dem Vorheringen widerspiegeln. Die Idee eines ausgemergelten Insassen eines Konzentrationslagers über der göttlichen Stadt fanden viele provokant. Mir erscheint sie aber als einzige künstlerische Antwort auf unsere geschichtliche Verantwortung“.
Gudrun Fleckenstein (Hrsg.): Kirchenführer. Die evangelische Johanneskirche in Freigericht (2014).
Gudrun Fleckenstein: 50 Jahre Evangelische Johanneskirche Freigericht 1963-2013, in: Zentrum für Regionalgeschichte, Mitteilungsblatt, 39, 2014, S. 51-59.
Claus Bernet: Kirchenfenster und Glasarbeiten, Teil 3, Norderstedt 2015 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 26).
