Russischer Jerusalems-Turm (um 1600)

Von einer Weltgerichtsikone mit einem Jerusalems-Turm wird hier lediglich die für das Thema relevante obere Hälfte gezeigt. Der dort zentrale Turmschaft setzt an dem Kreis mit der trinitären Gottesdarstellung (unten) an und führt nach oben bis zu einem weiteren Kreis mit Christus auf dem Thron. An vier Stellen des Turmschafts sind Fenster oder Türen mit Heiligen angebracht; weitere Heilige befinden sich oben zwischen den Zinnen der heiligen Stadt. Die Stadt in goldener Farbe ist als Fünfeck dargestellt. Die fünf Mauerseiten sind eng gesetzt und hoch; Fenster findet man hier ebenso wenig wie eine Pforte als Zugang in die Stadt. Sie ist aber im oberen und unteren Bereich mit geometrischen Mustern verziert. In dieser Anordnung ist das Himmlische Jerusalem einzigartig konzipiert. Es gibt kaum Parallelen zu anderen russischen oder ukrainischen Ikonen des 16./17. Jahrhunderts, auch spätere Kopien sind nicht bekannt, was darauf hindeutet, dass das Werk sich über Jahrhunderte an einem unzugänglichen Ort befand. Auch die Position Jerusalems im Bildzentrum ist ungewöhnlich; üblicherweise zeigen Weltgerichtsdarstellungen oder andere Darstellungen des Himmlischen Jerusalems aus der Ostkirche dieses Motiv oben links.
Die Tempera-Malerei entstand um das Jahr 1600 in Zentralrussland bzw. in dem Ikonenzentrum Nowgorod. Sie hat den übersetzten Titel „Das letzte Gericht – das zweite Erscheinen von Christus“ (Vtoroye prishestvie Khristovo). Mit Maßen von 203 x 121 Zentimetern handelt es sich bereits um eine relativ große Ikone. Sie befindet sich heute im Schwedischen Nationalmuseum in Stockholm, unter der Inventarnummer NMI 271. Im Jahr 1933 war sie dem Museum von dem Bankier und Sammler Olof Aschberg geliehen worden. 1952 erfolgte die endgültige Schenkung an das Museum, wo sie seitdem öffentlich zugänglich ist.

Ulf Abel: Russische Ikonen aus dem Nationalmuseum Stockholm, Berlin 1978.
Ulf Abel, Lena Holger: Den ryska ikonen 1000 år, Stockholm 1978.
Den ryska ikonen 1000 år, Nationalmuseum, Stockholm 1988.
Claus Bernet: Ikonen des Weltgerichts, Norderstedt 2015 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 37).

 

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