Herbert Daubenspeck (1912-1974), Anne Daubenspeck-Focke (1922-2021): Tabernakel aus St. Theresia in Münster (1962)
In der römisch-katholischen Kirche St. Theresia in Münster befindet sich ein Tabernakel von außergewöhnlich hoher künstlerischer und handwerklicher Qualität. Die Arbeit aus dem Jahr 1962 zeigt an der Schauseite rechts das Neue Jerusalem als quadratische Anlage mit drei zusammengezogenen Toren an jeder Seite. Man sieht die Tore schräg angehoben von oben. Ungewöhnlich sind die vier halbrunden Formen an den Ecken, die die Stadtmauern sogar durchbrechen – sind es Trompeten, Engelsfiguren, der Lebensstrom oder noch etwas ganz anderes? In der Mitte ist das stehende Lamm Gottes zu sehen, es blickt zu dem göttlichen Auge rechts, in welches ein großer Bergkristall gesetzt ist. Weitere kleinere Bergkristalle schweben um die Stadt. Der Eindruck eines Kosmos wird durch die Bögen, die sich um die Stadt ziehen, noch verstärkt, was an die mittelalterlichen Sphären des Weltraums erinnert. Links unten strömt das Blut des Lammes aus der Stadt; hier wurden kleine rote Halbedelsteine eingesetzt. Abgegrenzt wird das Kunstwerk nach unten durch einen Fries von Engeln und ein Flammenband, wie man es von russischen Ikonen her kennt, etwa aus dem Kloster Préveli (um 1750) oder von der Glaubensbekenntnis-Ikone aus Murom (1800-1825).
Der Tabernakel stammt von Herbert Daubenspeck (1912-1974) aus Emsdetten, der ansonsten für volkstümliche Figuren im Öffentlichen Raum bekannter ist. Viele seiner Arbeiten sind in enger Werksgemeinschaft mit seiner Frau Anne Daubenspeck-Focke (1922-2021) entstanden. In diesem Falle hat sie die Bergkristalle und rotfarbene Halbedelsteine ausgewählt und entsprechende Fassungen erarbeitet. Der Entwurf sei, wie üblich, in gemeinsamen Gesprächen auf Spaziergängen entstanden, denn die Künstlerin meinte: „Die Ideen kommen, wenn man sie nicht erwartet“.
Rita Hüttenbrink (Bearb.): Festschrift zum 50-jährigen Jubiläum der Pfarrkirche: St. Theresia Münster 1956-2006, Münster 2006.
Claus Bernet: Große Künstler, großartige Kunst, Norderstedt 2020 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 48).