Ikonentafeln aus Nowgorod und Solwytschegodsk (16. Jh.)

Bei dieser russischen Ikone ist die Herkunft aus Nowgorod nachgewiesen, wo sie über Jahrhunderte in einem orthodoxen Kloster oder einer orthodoxen Kirche stand. Im 20. Jahrhundert kam sie in die Tretjakow-Galerie nach Moskau (dort Inventarnummer 14458, als Bestandteil der Ikonensammlung von A. V. Morozov).

Die Ikone auf Basis von Temperafarben hat eine Gesamtgröße von 178 x 144 Zentimeter. Das Himmlische Jerusalem findet man auf dem Bild oben links, vollständig umzogen vom blauschwarzen Firmament. In der Stadt sind die Geretteten zum ewigen Abendmahl in acht Gruppen zusammengefasst: Apostel, Märtyrer (auf zwei gedeckte Tische verteilt), dann auch Mönche, Eremiten, Propheten, Bischöfe und sogar heilige Frauen. Umzogen sind sie von einer ornamentierten grünen Stadtmauer. In etwa der Hälfte der Tore stehen rotfarbene Wächterengel, die sorgsam den Zutritt in die heilige Stadt reglementieren. Die Tore dazwischen scheinen unbewacht offen zu stehen. In ihnen wächst jeweils eine langstielige Blume, was man nur auf sehr wenigen Darstellungen der Stadtmauer wird finden können (ausnahmsweise auf der Handschrift F.98 Nr. 679, fol. fol. 205v und 207v). Die dunkelgrüne Mauer um die Stadt springt im Zackenstil vor und zurück und ergibt einen polygonalen Stadtumriss, was für russische Ikonen nicht selten ist (im Gegensatz zum Quadrat, das man so gut wie nicht findet). Sie ist jedoch, für eine Ikone des 16. Jahrhunderts, detailreich geschmückt und ornamentiert.

Victor V. Antonow: Moskau –Staatliche Tretjakow-Galerie, Ausstellung: Frührussische Ikonen, in: Pantheon, 32, 1974, S. 434.
Agnieszka Lulińska: Russlands Seele. Ikonen, Gemälde, Zeichnungen aus der Staatlichen Tretjakow-Galerie Moskau, München 2007.

 

Eine ähnliche Konzeption ist, was das Neue Jerusalem angeht, auf einer 198 x 152 Zentimeter großen Ikonentafel zu entdecken. Hier nehmen ebenfalls männliche wie weibliche Heilige an acht runden und eckigen Tischen gemeinschaftlich das Abendmahl ein. Die Mauer im Vordergrund erinnert an die Ikonen-Apokalypse aus der Tretjakow-Galerie, ebenso finden sich offene Tore, meist besetzt mit wachenden Engeln in verschiedenen Farben. Im Hintergrund sind ganz unterschiedliche, filigrane Bauten zu sehen, Dächer und Kuppeln in individueller Ausgestaltung. Die ganze Szenerie erscheint auf einer grauen Wolke vor goldenem Hintergrund. Auch von dieser Ikonenmalerei von 1579 ist der Maler unbekannt, er wird aber der Stroganow-Schule zugerechnet. Einst wurde sie für den kirchlichen Gebrauch der Verkündigungskathedrale in Solwytschegodsk, einer Kleinstadt in Nordwestrussland, gefertigt. Heute ist sie im dortigen Museum vorzufinden.
Eine moderne Kopie dieser Ikone entstand im 21. Jahrhundert. Sie gelangte in die Sammlung des Museums für russische Ikonen in Brekhovo, Bezirk Solnetschnogorsk, Region Moskau.

O. A. Korina: Zhivopis domongolskoj Rusi, Moskau 1974.
Viktor V. Antonov: Moskau – Staatliches Rubljow-Museum, Ausstellung: Ikonenmalerei von Wologda – Juni bis August 1976, in: Pantheon, 35, 5, 1977, S. 87.
Alfredo Tradigo: Ikonen. Meisterwerke der Ostkirche, Berlin 2005.

 

tags: Nowgorod, Russland, Tretjakow-Galerie, Moskau, Tempera, Weltgericht, Zackenstil, ewiges Abendmahl, Stroganow-Schule, Museum Solwytschegodsk
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